Ansbacher Arztprozess: Ehrenkodex schließt Sex aus

21.12.2017, 16:05 Uhr

Rund einmal im Monat sei ihre Tochter zwischen 2006 und 2012 zu Sitzungen bei dem Arzt gegangen - unter anderem wegen schweren Depressionen und Essstörungen, erinnerte sich die Mutter. Erst viel später habe die junge Frau ihr von "sexuellen Handlungen" erzählt. Doch wann genau, blieb offen. Das Jahr 2014 stand im Raum.

"Meine Tochter hatte Probleme mit ihrem Vater. Sie hat sich schon immer zu älteren Männern hingezogen gefühlt", so die Krankenschwester. "Sie hat wohl eine Art Vaterersatz gesucht." Der Altersunterschied habe über 30 Jahre betragen, sagte die Mutter. Zum Ende habe ihre Tochter die sexuelle Beziehung nicht mehr gewollt, so die Frau weiter. "Der Arzt hat dann den Kontakt ganz abrupt abgebrochen", erklärte sie. "Sie war sehr verzweifelt, weil sie dringend einen Termin gebraucht hat."

Im Oktober 2016 ging die Anzeige bei der Kripo in Würzburg ein. Eine Beamtin, die die Anzeige aufgenommen hat, sagte ebenfalls am dritten Verhandlungstag aus. Anfangs habe sich die Frau durch die sexuelle Beziehung geschmeichelt gefühlt und sich nicht viel dabei gedacht, erinnerte sich die 45-Jährige an die Aussage.

Gegen den Ehrenkodex

"Sie hat betont, dass sie dem Arzt nichts Böses wolle und seinen guten Ruf nicht ruinieren wolle", sagte die Zeugin. "Doch ihr ist wohl erst später klar geworden, dass die Beziehung nicht in Ordnung war." Sex während einer Therapiesitzung fand die Beamtin doch "ungewöhnlich", aber die klassischen Straftatbestände wie beispielsweise Gewalt habe ihrer Meinung nach gefehlt.

Als dritter Zeuge sagte ein Psychotherapeut aus Ansbach aus. Er hatte die junge Frau nach dem Feuchtwanger Arzt ab August 2013 betreut. "Ziel war es, dass die Frau ein angstfreies Leben führen und ihr Selbstwertgefühl erhöhen kann", so der Psychotherapeut, der mittlerweile im Ruhestand ist.

"Ihr Selbstwertgefühl war extrem niedrig und sie hat in der dritten Person von sich gesprochen." Schon in der zweiten Sitzung habe sie von regelmäßigem Geschlechtsverkehr zwischen ihr und dem Feuchtwanger Arzt erzählt, so der 66-Jährige. "Die Beziehung zwischen Therapeut und Patientin schließt eine Sexualität komplett aus", sagte er. "Das gehört zu unserem Ehrenkodex und es ist gesetzlich verboten."

Eine zweite Opferaussage fand am Nachmittag hinter verschlossenen Türen statt. Das hatte die Nebenklagevertreterin gefordert. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 63-Jährigen vor, dass es vor allem nach Arbeitsende in der Praxis zu Sex mit Patientinnen gekommen sei. Er räumte die Vorwürfe zu Beginn der Verhandlung ein, allerdings sei der Sex einvernehmlich gewesen. Am 9. Januar im kommenden Jahr geht die Verhandlung vor dem Landgericht Ansbach weiter.