TiG zeigt Goethes "Die Wahlverwandtschaften"

4.4.2017, 09:29 Uhr
TiG zeigt Goethes

© Werner Lorenz

"Im Ehestand muss man sich manchmal streiten – so erfährt man etwas übereinander", weiß der freimütige Baron Eduard (Felix Pielmeier). Nach kurzem Disput mit seiner ihm angetrauten Charlotte (Aline Joers) ist es beschlossen: Die rationale Charlotte darf ihre schüchterne Nichte (Olga Seehafer) zu sich holen, Eduard seinen Jugendfreund, Hauptmann Otto (Martin Habermeyer). Die Nichte soll familiären Halt finden, der tatkräftige Hauptmann den weitläufigen Garten umgestalten. Soweit der Plan. Doch den Gartenbau hat bald keiner mehr vordergründig im Sinn. Stattdessen entwickelt sich in Goethes Versuchsanordnung eine folgenschwere Kettenreaktion aus Versuchung und Verzicht.

Stimmige Chemie im neuen Aufgebot

"Wahlverwandtschaften" ist ein Kunstwort aus der Chemie. Heute veraltet, beschrieb es im 18. Jahrhundert die wechselnde Reaktionsaffinität von Ionen. Und die Chemie zwischen den Darstellern des erweiterten TiG-Ensembles stimmt. Freundschaft, Seelenverwandtschaft und Liebe werden auf äußerst ansprechendem Niveau transportiert.

Während der Garten und seine Umgestaltung größtenteils als Metapher fungiert, erreicht eine Szene im von Wellen umtosten Boot eine beindruckende Intensität, die zwischen Hingabe und Entsagung schwankt. Das Herrenhaus findet im Salon des Krackhardt-Hauses eine gelungene Entsprechung. Ölgemälde, Leuchter und Stuckdecke bilden eine passgenaue Rahmung für das Geschehen. 

Die Inszenierung des Goethe’schen Spätwerks lässt die Anarchie der Gefühle ohne moralische Belehrung zu. In der Textfassung von Silvia Armbruster findet Nina Lorenz das richtige Maß zwischen Ausschweifung und Aussparung. So wird intuitives Verlangen zentralisiert und der Fortgang der Ereignisse bisweilen in der dritten Person beschleunigt zum Ausdruck gebracht.

Goethes provokante wie vorausschauende Thesen die Ehe betreffend werden geschickt als Aussagen des "Herrn Geheimrats" eingewoben. Wie in einer gelungenen Versuchsanordnung im Labor wird beim TiG nichts dem Zufall überlassen: Die Farbwahl der Kostüme spiegelt das Spannungsfeld zwischen den Darstellern subtil wider, die Musik von Jakob Fischer vertont es behutsam. Die Chemie der Liebe erscheint als bekanntes, theatrales Thema, gleichwohl mag das aktuelle TiG-Stück die Ausschüttung von Dopamin im Publikum fördern.

Neuer Spielort für das Theater

Nach vier Vorstellungen wechseln "Die Walverwandtschaften" ins Aufseßhöflein. Zukünftig wird es jedoch wieder verstärkt Theater am Bamberger Maxplatz geben. In den E.T.A.-Hoffmann-Katakomben, dem Weinkeller im Krackardt-Haus, soll sich der Schriftsteller seinerzeit gemeinsam mit seinem Verleger so mancherlei Inspiration für sein Schaffen geholt haben. Eine feste Bühne soll der Kunst eine neue Anlaufstelle geben. Im Innenhof ist ein Café geplant. Als Zeitpunkt der Realisierung steht der Januar 2018 im Raum.

Weitere Vorstellungen:

Krackhardt-Haus: 9. April (17 Uhr) und  20. April (20 Uhr),
Aufseßhöflein: 21. und 26. April, 4., 10. und 11. Mai (je 20 Uhr).

 

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