Das Klavier der Markgräfin birgt ein Geheimnis

17.2.2015, 21:01 Uhr
Das Klavier der Markgräfin birgt ein Geheimnis

© Foto: Fraunhofer IIS

Das Klavier darf nicht wackeln, wenn sich die Plattform dreht. Wie bei einem Patienten, der kurz die Luft anhalten muss, wenn er geröntgt wird. Aber Klebeband oder Schraubzwingen sind tabu, schließlich ist das wertvolle Stück knapp 230 Jahre alt. Gottlob Christian Hubert hat es 1787 in seiner Werkstatt in Ansbach für Markgraf Karl Alexander gebaut, vermutlich als Geschenk für dessen zukünftige Frau. Sie kam aus England, und jeder Adelige dort, der etwas auf sich hielt, hatte zu dieser Zeit ein Tafelklavier aus exotischem Mahagoni-Holz.

Theobald Fuchs hätte das Klavier gerne hochkant gestellt, damit die Röntgenstrahlen das Holz besser durchdringen. Aber bei dieser Aussicht bleibt Frank Bär die Luft weg, „da wird ja alles schief und verschiebt sich“. Fuchs ist Physiker und Bär Musikwissenschaftler. „Wir haben uns von Anfang an gut verstanden“, sagt Bär. „Mit Menschen, die einen Tier-Nachnamen haben, verstehe ich mich immer gut“, sagt Fuchs. Die beiden leiten das Projekt „Musices“, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft drei Jahre lang mit einem hohen sechsstelligen Betrag fördert.

228 Jahre alt ist das Tafelklavier aus Ansbach.

228 Jahre alt ist das Tafelklavier aus Ansbach. © Foto: GNM

Das Fraunhofer-Entwicklungszentrum für Röntgentechnik (EZRT) in Fürth und das Germanische Nationalmuseum (GNM) in Nürnberg sollen eine Methode entwickeln, mit der in Zukunft Musikinstrumente auf der ganzen Welt auf die gleiche Art und Weise durchleuchtet werden. Die Bilder dienen der Wissenschaft, damit alte Instrumente seltener bewegt werden und sie trotzdem jeder jederzeit erforschen kann. „Das Zusammenführen aller Daten ist eine riesige Aufgabe der Museen heutzutage“, sagt Bär. Er leitet die Sammlung historischer Musikinstrumente am GNM, die mit ihren 3000 Objekten eine der bedeutendsten weltweit ist. „Je weiter wir diese Schätze transportieren müssen, desto mehr Aufwand und teurer ist es“, sagt er. Zum Glück steht in Fürth, nur 13 Kilometer entfernt, der größte Computertomograph der Welt. Diese Nähe hat auch dazu geführt, dass das Fördergeld nach Franken kam.

Die dreidimensionalen Aufnahmen müssen so gut sein, dass Experten anhand der Jahresringe das Alter der verwendeten Bäume bestimmen können, ob Kupfer oder Stahl verbaut wurde und welche Spuren das Werkzeug hinterlassen hat. Außerdem wollen die Forscher Verpackungs-, Transport- und Messanweisungen für das Verfahren entwickeln. Bär ist vor allem gespannt, was sich im Inneren einer Büchsentrompete von 1731 verbirgt, bei der von außen nur ein Mundstück und eine Öffnung zu sehen sind. „Es wäre ein Traum, anhand der Bilder am Computer das Schallrohr aufrollen zu können, um zu verstehen, wie es gefertigt ist und wie der Ton entsteht“, sagt Fuchs, der seit 2003 Chefwissenschaftler bei Fraunhofer ist. Mit diesen Vorlagen könnten Instrumente nachgebaut werden, um zu hören, wie ein Konzert zu Mozarts Zeiten geklungen hat. In historische Flöten, Oboen und Klarinetten darf niemand mehr hineinatmen, weil die Feuchtigkeit das Material angreifen würde.

Musikwissenschaftler Frank Bär und Physiker Theobald Fuchs.

Musikwissenschaftler Frank Bär und Physiker Theobald Fuchs. © Foto: GNM

Vor besondere Herausforderungen stellt die Forscher eine Prozessionsorgel, so klein, dass zwei Männer sie von einem Wallfahrtsort zum anderen tragen konnten. „Ihre sechs bis acht Register stecken in einer Kiste, in der kein Zentimeter ungenutzt ist – das gleicht einem Labyrinth“, erklärt Bär. Aber die Pfeifen sind aus Blei, das die Röntgenstrahlen abschirmt, und auseinanderbauen wäre zu gefährlich für das kostbare Stück. „Wir müssen jetzt mit modernen Instrumenten testen, welche Methode sich für welche Bauart eignet“, sagt Fuchs. Im April gibt er einen Röntgenkurs für Museums-Restauratoren. Im Mai kommen Kooperationspartner des Museums für Musikinstrumente aus Brüssel, der Universität Edinburgh und der Philharmonie von Paris zu einer Konferenz nach Fürth. „Wir betreten
hier wissenschaftliches Neuland“, sagt Fuchs. „Wir sind die ersten Menschen, die ein geröntgtes Tafelklavier gesehen haben“, sagt Bär.

Beide Wissenschaftler können Klavier spielen. Am Freitag haben sie das Ansbacher Instrument durchleuchtet und sich darauf geeinigt, es um zehn Grad zu kippen, damit die Strahlen den Deckel nicht der Länge nach durchdringen müssen, aber trotzdem nichts verrutscht. Es in Styroporschaum verpackt und fünffach mit Luftpolsterfolie umwickelt, ein Messgerät überwacht die Luftfeuchtigkeit. Die Bilder haben die Physiker zu einem Film zusammengefügt, in dem sich das Klavier Schicht für Schicht aufbaut. Gestern hat ihn Bär zum ersten Mal gesehen. „Das ist faszinierend“, sagt er. „Das können wir wunderbar in der Museumspädagogik verwenden.“ Die Stimmwirbel sind zu sehen, die die Saiten zum Schwingen bringen, Messingbeschläge, die Tastenhebel und die Elfenbeinbeläge. An den Rändern des Instruments ist ein Furnier zu erkennen. „Es sieht nur aus, als wäre es aus Mahagoni, innen hat er billigeres Holz verwendet“, sagt Bär. „Das wussten wir nicht.“ So viel war die Geliebte dem Markgrafen wohl doch nicht wert.

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