Das langsame Sterben der Hallenbäder in Bayern geht weiter

15.2.2018, 18:21 Uhr
Das langsame Sterben der Hallenbäder in Bayern geht weiter

© Foto: Klaus-Dieter Schreiter

Die Zahlen sprechen für sich. Sechs von zehn Grundschülern können nicht oder nicht richtig schwimmen. Nicht richtig definiert Michael Förster, Sprecher der bayerischen DRLG, so, dass noch nicht einmal das "Seepferdchen" vorausgesetzt werden könne. Eine Prüfung wohlgemerkt, in der man nach einem Sprung vom Beckenrand gerade mal 25 Meter weit schwimmen und einen Ring aus schultertiefen Wasser herauftauchen muss.

"Früher hatte jedes Kind das Seepferdchen auf der Badehose oder dem Badeanzug, das war Ehrensache!", sagt Förster. Viele machten danach weiter mit dem "Freischwimmer", der jetzt Deutsches Jugendschwimmabzeichen in Bronze heißt. Heute besitzen laut einer Emnid-Studie aus dem Jahr 2017 gerade noch knapp 40 Prozent ein Jugendschwimmabzeichen, in Gegenden mit einem hohen Migrantenanteil liegt der Schnitt noch darunter. "Das ist viel zu wenig, denn wer nicht sicher schwimmen kann und die Gefahren des Wassers nicht kennt, schwebt insgeheim ständig in Lebensgefahr", sagt der DLRG-Sprecher.

Schulen scheuen Risiko

Die vielen Badeunfälle mit tödlichem Ausgang belegen seine Aussage, denn Bayern ist im Ländervergleich nach wie vor Spitzenreiter mit rund 80 Badetoten im Jahr. Schon deshalb sollte jedes Kind am Ende der vierten Klasse das bronzene Schwimmabzeichen ablegen können, fordert die DLRG.

Leider verzichten viele Schulen mittlerweile auf den Schwimmunterricht, da die Wege zum nächsten Hallenbad zu weit sind und das Risiko zu groß, dass etwas passieren könnte. Dieser Umstand belastet wiederum die Kommunen zusätzlich, da sie nur Zuschüsse vom Freistaat für ihre defizitären Hallenbäder bekommen, wenn mindestens 40 Schulklassen dort regelmäßig schwimmen. Probleme hat die DLRG auch bei der Rekrutierung des bayerischen Rettungsschwimmer-Nachwuchses. "Die Jugendlichen haben heute zu viele Freizeitangebote", sagt Steffen Mergenthaler, Vorsitzender des DLRG-Bezirksverbands Mittelfranken. Wenn das nächste Bad 30 Kilometer entfernt sei, könne man die jungen Leute wegen der langen Anfahrtszeiten nicht mehr zum regelmäßigen Training motivieren.

Auch das hat Konsequenzen: Schon jetzt ist es laut Mergenthaler in manchen Regionen schwierig, flächendeckend Ehrenamtliche mit Rettungsschwimmer-Ausbildung für die Badeaufsicht zu organisieren. "Uns fehlen einfach die Wasserflächen zur Ausbildung, egal ob für Anfänger, Sportler oder Rettungsschwimmer", betont der DLRG-Vorsitzende für Mittelfranken. Die vielen Spaßbäder, die in den vergangenen Jahren neu gebaut worden seien, helfen über diesen Umstand nicht hinweg. Sportlich schwimmen oder Kurse abhalten, könne man dort beim besten Willen nicht. Außerdem sei der Eintritt dort meist zu teuer für einen regelmäßigen Besuch.

Marode Substanz in den Hallenbädern

Die DLRG hat es satt, sich für die Allgemeinheit zu engagieren und dem Sterben der Hallenbäder hilflos zusehen zu müssen. Sie fordert ein staatliches Sonderinvestitionsprogramm zur Rettung der Hallenbäder. Die Kommunen könnten die maroden Betriebe, die zum Großteil Anfang der 70er Jahre gebaut wurden, weder aus Eigenmitteln sanieren noch neu bauen.

Die DLRG hat sich deshalb an die Landtags-SPD gewandt. Denn Landtagsabgeordneter Markus Rinderspacher kämpft mit seinem Parteikollegen Harry Scheuenstuhl seit vielen Jahren für den Erhalt der öffentlichen Hallenbäder in Bayern.

Zweimal haben die SPD-Politiker eine Anfrage ans Bayerische Innenministerium gestellt, einmal 2015 und erneut 2017, um zu erfahren, welche Einrichtungen bereits geschlossen wurden und welche bedroht sind. Die Zahlen (siehe Kasten) sind erschreckend. Markus Rinderspacher wertet sie "als Armutszeugnis für einen Freistaat mit derartig hohen Steuereinnahmen".

Doch die Staatsregierung hat das Thema kürzlich für sich entdeckt. Unter dem zukünftigen Ministerpräsident Markus Söder wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, die, so wurde vereinbart, bis zum Doppelhaushalt 2019/2020 Möglichkeiten für eine Schwimmbadförderung prüfen wird.

Bis dahin, sagt Rinderspacher, sei in etlichen der als bedroht geltenden Hallenbäder endgültig das Licht ausgegangen. Der Landtagsabgeordnete hofft nun darauf, dass sich mehr Kommunen zusammenschließen, um die hohen Kosten für einen Hallenbadneubau und dessen Betrieb gemeinsam zu schultern.

Hier finden Sie eine interaktive Karte, auf der neben den bestehenden Hallenbädern Spaßbäder und die Thermen der Region eingezeichnet sind: (Sollte die Karte nicht angezeigt werden, benutzen Sie bitte diesen Link.)

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