Drogen und Beißattacken: JVA-Direktorin über Knastalltag

12.5.2017, 06:00 Uhr
Drogen und Beißattacken: JVA-Direktorin über Knastalltag

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Inzwischen steht die 61-jährige Juristin an der Spitze der Bayerischen Justizvollzugsakademie in Straubing. Wir sprachen mit Renate Schöfer-Sigl über die wachsenden Anforderungen im Justizvollzug, Deeskalationsstrategien und schwierige Strafgefangene.

Frau Schöfer-Sigl, welche Erinnerungen haben Sie an den Gefangenenaufstand in Ebrach vor 14 Jahren?

Renate Schöfer-Sigl: Ich war im Jahr zuvor an die dortige Justizvollzugsanstalt gewechselt, und im Vorfeld hatte nichts darauf hingedeutet, dass sich da was zusammenbraut. Es war einfach ein Machtspielchen von rund 30 Russlanddeutschen, die meine Mitarbeiter verunsichern wollten. Deshalb ist diesen Meuterern erst mal überhaupt nichts eingefallen, als wir sie nach ihren Forderungen fragten. Sie hatten keinerlei Pläne geschmiedet, weshalb sich die Situation relativ schnell beruhigte. Wir haben dann die Rädelsführer ausfindig gemacht und in andere Anstalten in ganz Bayern verlegt. Danach war Ruhe.

Haben Sie in diesen Stunden Ihre Berufswahl bereut? Vor Ihrem Wechsel in den Strafvollzug haben Sie ja als Anwältin gearbeitet.

Schöfer-Sigl: Nein. Auch deshalb, weil ein unglaublicher Zusammenhalt der Bediensteten herrschte. Dank der gegenseitigen Unterstützung haben wir die damalige Situation sehr gut gemeistert. Ich habe das kollegiale Miteinander in Ebrach immer genossen und denke gerne an diese Zeit zurück. Deshalb tut es mir auch sehr leid für die Kolleginnen und Kollegen dort, dass sie erneut mit so einer Situation konfrontiert wurden – auch wenn die jetzigen Vorfälle die Bezeichnung "Revolte" eigentlich nicht verdienen.

"Manche entwickeln einen Beißzwang"

Inzwischen kümmern Sie sich als Leiterin der Bayerischen Justizvollzugsakademie um die Ausbildung. In dieser Funktion sind Sie auch mit vielen neuen Herausforderungen für das Personal in Bayerns Gefängnissen konfrontiert. Mit welchen Problemen haben die Mitarbeiter aktuell besonders zu kämpfen?

Schöfer-Sigl: Da ist zum einen die wachsende Zahl von Gefangenen, die nach dem Konsum von neuen psychoaktiven Substanzen psychisch auffällig werden. Synthetische Drogen wie Crystal Meth oder Kräutermischungen machen die Häftlinge teilweise hoch aggressiv. Manche entwickeln einen so genannten Beißzwang und schnappen in kritischen Situationen wie wild um sich. Das ist für unsere Bediensteten natürlich nicht ungefährlich.

Da drängt sich die Frage auf, mit welchen Strategien das Justizministerium den Drogenschmuggel und -handel in den Gefängnissen in den Griff kriegen will.

Schöfer-Sigl: Das ist in der Tat nicht einfach. Den Konsum von Betäubungsmitteln in Haft können wir nur erfolgreich bekämpfen, wenn wir einerseits das Einschmuggeln von Drogen in die Anstalten möglichst verhindern, zum Beispiel durch strenge Kontrollen und Sicherheitsmaßnahmen, und gleichzeitig Verstöße konsequent ahnden. Andererseits müssen wir abhängigen Gefangenen aber auch die notwendigen Präventions- und Hilfsangebote machen, das heißt entsprechende Beratungen und Therapien anbieten.

Fortbildung für Deeskalationsbeauftragte

Ein weiteres, relativ neues Problem ist ja das respektlose Verhalten vor allem junger, ausländischer Gefangener. Unter anderem der steigende Anteil der Häftlinge aus den so genannten Maghreb-Staaten sorgt für Konflikte, wie Justizbeamten klagen. Wie reagiert Ihre Akademie auf solche Herausforderungen?

Schöfer-Sigl: Viele dieser Gefangenen mit Migrationshintergrund kommen ja aus Ländern mit gesellschaftlichen Normen und Weltanschauungen, die teilweise erheblich von europäischen Wertvorstellungen abweichen. Das bekommen zum Beispiel unsere Kolleginnen zu spüren, denn manche Häftlinge akzeptieren eine Frau schlichtweg nicht als Autoritätsperson. Außerdem haben manche Häftlinge die staatlichen Institutionen in ihren Herkunftsländern als durchweg korrupt in Erinnerung. Das dauert einige Zeit, bis sie realisiert haben, dass die Uhren in Deutschland anders gehen. Deshalb wird es immer wichtiger, den Bediensteten auch interkulturelle Kompetenz zu vermitteln. Auch im Hinblick auf die Resozialisierung benötigen solche Gefangenen besondere Unterstützung.

Wenn aggressive Häftlinge auf Justizmitarbeiter losgehen, rückt der Resozialisierungsgedanke aber erst einmal in den Hintergrund. Wie bereiten sie die Auszubildenden auf solche Situationen vor?

Schöfer-Sigl: Unter anderem haben wir da eine neue Fortbildung für Deeskalationsbeauftragte entwickelt, die dann als Multiplikatoren in den Anstalten für das richtige Verhalten bei kritischen Konfrontationen sorgen sollen. Ende Mai beginnt der erste Ausbildungsblock, in dem die Teilnehmer in Gesprächsführung und waffenloser Selbstverteidigung geschult werden.

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