Ein Michelin-Stern und die große Liebe

22.4.2015, 06:00 Uhr
Ein Michelin-Stern und die große Liebe

© Foto: Thomas Scharrer

Die Geschichte von Vera Stoll, ihrem Keidenzeller Hof und dem Stern im renommierten Restaurantführer Guide Michelin, den sie kürzlich bekommen hat, diese Geschichte klingt fast wie ein Märchen. Und wenn die 35-jährige Frau schmunzelnd erzählt, dass sie noch vor fünf Jahren keine drei Teller tragen konnte, ohne zwei davon fallen zu lassen, und sich „schon beim Zubereiten von Rührei manchmal in den Finger geschnitten hat“, dann könnte man auch glauben, sie habe da eine ganz tolle Gesichte erfunden, um ihren rasanten Aufstieg als Restaurantbetreiberin ein wenig aufzupeppen.

Es ist in diesem Fall ein journalistischer Glücksfall, dass der Autor Vera Stoll schon lange kennt: Schon als Teenager, der nach der Schule zunächst nicht so recht wusste, was er werden sollte; dann als Studentin an einer Fachhochschule für International Business Administration in Bad Homburg und schließlich als PR-Mitarbeiterin einer Münchner Agentur, in der sie vornehmlich mit der Vermarktung eines noblen Hunde-Hotels beschäftigt war, in dem sehr betuchte Zeitgenossen ihren geliebten Vierbeiner während des Urlaubs standesgemäß, also ziemlich teuer, unterbringen können.

Heimweh nach Franken

„Das hat mir sogar Spaß gemacht“, sagt Vera Stoll, die aus Wilhermsdorf im Zenngrund stammt und sich im Mittelfränkischen und bei ihrer Familie immer sehr wohlgefühlt hat. Und weil das so ist, spürte sie auch irgendwann, dass sie auf Dauer nicht im noblen München bleiben wollte. „Meine Schwester Belinda hat mich immer wieder ermuntert heimzukommen“, erzählt sie, und ihre Schwester war es auch, die im Januar 2010 die Initialzündung mit dem Keidenzeller Hof auslöste.

Die Immobilie der Gaststätte ist im Besitz von Vera Stolls Schwager Frank Stadlinger, und als dem mal wieder ein Pächter hingeschmissen hatte, meinte Belinda Stadlinger zu ihrer Schwester: „Komm doch einfach heim und übernimm du den Gasthof.“ Deren Antwort lautete: „Ja, das mache ich“ – und von da an stürzte sie sich mit Feuereifer in ihre neue Aufgabe, die ihren Eltern zunächst einige schlaflose Nächte bereitete.

Sehr viel Zeit und eine ganze Menge Geld musste sie aufwenden, um die alte Wirtsstube in ein gehobenes Restaurant zu verwandeln, so wie es ihr vorschwebte. Im April 2010 war tatsächlich Eröffnung, aber dann gingen die harten Lehrjahre erst richtig los. Vera Stoll hatte inzwischen das Bedienen bei Freunden in einem Münchner Restaurant gelernt, sie hatte alles gelesen, was sie über Wein, Speisen und Zutaten fand und sie hatte das Glück, mit Marco Hollbauer auch gleich einen renommierten Koch zu finden.

Der blieb bis November 2011 und weil Vera Stoll mit dessen Nachfolger nicht lange zurechtkam, reiste sie im Oktober 2013 zu einem Kochwettbewerb nach Hamburg, um einen neuen Küchenchef zu finden. „Als Martin Grimmer auf die Bühne gegangen ist, da wusste ich: Der ist es“, erzählt sie. Und als dieser Martin Grimmer, der im Bayerischen Haus in Potsdam kochte, später auch noch „zufällig“ zu ihr ins Taxi in die Innenstadt stieg, da wusste sie erst recht: „Der ist es.“

Es hat dann nicht lange gedauert. Der 30-jährige Koch kam nach Keidenzell, er baute den Betrieb innerhalb eines Jahres auf eine gehobene, aber nicht abgehobene Küche um, eine Scheune wurde für Veranstaltungen, wie Hochzeiten und Geburtstagsfeiern, schön restauriert, das Restaurant nahm richtig Fahrt auf.

Urlaub in Thailand

Und als die beiden im November 2014 nach arbeitsintensiven Monaten einen Urlaub in Thailand machten, da erfuhren sie, dass Testesser des Guide Michelin ihnen den begehrten Stern zugesprochen hatten. „Wir waren so baff, dass wir gar nicht wussten, was wir sagen sollten“, erzählt Vera Stoll, „aber das Schönste für uns war, dass sich unsere Gäste auch so mit uns gefreut haben. Wir sind mit Mails und Kurznachrichten regelrecht überschüttet worden.“

Martin Grimmer, ein ruhiger junger Mann, scheint sich eher still in sich hineinzufreuen, wenn seine „Chefin“, das alles erzählt. Er weiß natürlich auch, wie schwer es ist, diese Auszeichnung zu bestätigen. „Aber jetzt haben wir ihn, jetzt wollen wir ihn auch behalten“, sagt er über den Stern. Koch ist der aus Sachsen stammende Grimmer einst geworden, weil seine Oma ihm das geraten hat. „Da hast du immer was zum Essen“, hat sie mir gesagt. Nach Lehrjahren in Rheinland-Pfalz kam der junge Koch nach Potsdam, ehe ihn eine junge Wilhermsdorferin in Hamburg entdeckte. Ach ja, Vera Stoll heißt inzwischen Vera Grimmer. Sie hat auch privat ihren Stern im Zenngrund gefunden – und will ihn nicht mehr hergeben.

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