Einzigartiges Forschungsprojekt im Windsheimer Stadtwald

29.3.2018, 16:17 Uhr
Einzigartiges Forschungsprojekt im Windsheimer Stadtwald

© Foto: Sven Finnberg

Vor ziemlich genau einem Jahr stapften Stadtförster Sven Finnberg, Wissenschaftler Sebastian Vogel und einige Helfer durch die Waldgebiete Gräf, nordwestlich von Bad Windsheim, am Kehrenberg und den südwestlichen Teil des Ickelheimer Waldes. Der Auftrag: Astbündel aufhängen. 42 Baumarten. Sechs Standorte. Drei in der Sonne, drei im Schatten. Dort hing das Holz fast ein Jahr.

"Ohne Bodenkontakt, so dass für alle die gleichen Bedingungen herrschen", sagt Sebastian Vogel, der auf Biodiversität im Totholz und sogenannte xylobionte, also im Holz lebende Käfer, spezialisiert ist. Am Ende des Projekts will der Doktorand vom Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie der Universität Würzburg Rückschlüsse für einfache, praxistaugliche Empfehlungen für den Schutz totholzbewohnender Arten in Wirtschaftswäldern ziehen können.

Da hingen sie nun. Äste von Traubeneiche, Schwerdorn, Weißdorn, Ulme, Esskastanie, bis hin zur Rotbuche. "Da ist fast alles dabei", erklärt Sven Finnberg. Nicht unerheblich sind bei der Studie die drohenden Folgen des Klimawandels. "Wir haben auch Baumarten rausgehängt, bei denen wir in Bezug auf den Klimawandel hoffen, dass sie besser mit den Bedingungen zurechtkommen. Douglasie, Küstentanne oder Roteiche zum Beispiel", berichtet der Stadtförster. Unterschieden wurde laut Vogel auch noch zwischen sogenannten Lichtbaumarten wie Aspe, Eiche, Kiefer und Schattenbaumarten wie Buche, Hainbuche oder Tanne.

42 verschiedene Baumarten

Aufwand und Größenordnung sind auch einige der Besonderheiten des Projektes. So sagt der sonst nicht gerade zu Emotionsausbrüchen neigende Finnberg durchaus mit Begeisterung in der Stimme: "Europaweit einmalig, in dem Umfang hat es so was noch nicht gegeben." Vogel bestätigt: "Mit 42 Baumarten hat es bislang noch keiner gemacht." Eine Studie mit maximal 13 sei ihm bekannt.

Der Frühling kam, es folgten Sommer und Herbst. Käfer schlüpften, Pilze besiedelten das Holz, Spinnen und Hautflügler folgten. Nach dem Aufbau reiste Sebastian Vogel monatlich zur Kontrolle in die insgesamt 15.000 Hektar umfassenden Waldgebiete der Kurstadt. Immer mit der Hoffnung auf möglichst viele Insekten, die protokolliert werden können. "Sie wurden ausgebracht, um besiedelt zu werden", sagt Vogel. So gingen er und seine Helfer jeden der ein Meter langen Äste mit zwei bis acht Zentimetern Durchmesser ab. Jeder Bund besteht dabei aus drei Ästen der gleichen Baumart.

"Unglaubliche Artenvielfalt" im Bad Windheimer Stadtwald

Für die Studie wurde der Bad Windsheimer Stadtwald, weil es hier laut Sebastian Vogel "eine unglaubliche Artenvielfalt gibt". Insgesamt kommen nach Angaben von Sven Finnberg in einigen Arealen allein rund 750 verschiedene Arten von Schmetterlingen vor.

Auch die mehr als 2000 Käferarten, davon mehr als 500 Holz bewohnende Spezies in der Windsheimer Bucht, faszinieren Forscher aus der ganzen Welt. So waren zuletzt auch einer der weltweit führenden Waldökologen, der Australier David Lindenmayer, oder der Leiter des Naturparks Bayerischer Wald, Franz Leibl, zu Gast bei Finnberg, um das Gebiet zu besichtigen. Beim aktuellen Projekt stehen die besagten xylobionten Organismen, also das Holz bewohnende Lebewesen im Mittelpunkt. "In Deutschland gibt es etwa 1400 Käferarten, die Totholz als Lebensgrundlage brauchen", sagt Vogel. Das Problem: "Durch die intensive Waldnutzung in Europa ist der Lebensraum geschrumpft." Für die Biodiversität im Waldökosystem übernimmt Totholz jedoch eine Schlüsselfunktion, und "einige Käferarten gehen nur auf bestimmte Baumarten", erklärt Finnberg. "Von vielen Käfern weiß man kaum etwas. Bisher sind es oft Vermutungen."

Bündel lagern im Rohr

Nun wurde beobachtet, dass angeblich auf bestimmte Hölzer fixierte Käfer auch anderen Baumarten nicht abgeneigt sind. "Wenn festgestellt wird, dass die auch darauf gehen, muss man vielleicht feststellen: Die Baumart ist doch nicht so gut", sagt Finnberg. "Daher geht es nun sogar darum, welche Baumarten eingebracht werden müssen, um andere zu erhalten."

Doch so weit sind die Forscher noch nicht. Im Februar wurden die Astbündel eingeholt, sie lagern nun in Kunststoffrohren von 20 Zentimeter Durchmesser, in denen die Luft zirkulieren kann. Drei Jahre lang werden Insekten und Pilze nun "ausgezüchtet", erklärt Finnberg. Die Rohre werden monatlich geleert, alles penibel dokumentiert. "Das gibt ein Wahnsinns-Datenvolumen", sagt Finnberg. Und vielleicht am Ende manchen praxistauglichen Tipp, welche Baumarten wie dem Klimawandel trotzen und wie die xylobionten Käfer wachsen und gedeihen könnten.

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