Erfolgreiche Altmühl-Umgestaltung: Natur kehrt zurück

21.12.2017, 09:12 Uhr
Mit einer Kollegin paddelte der Biologe Ulrich Meßlinger über die Altmühl, um nach Libellen Ausschau zu halten. Sechs Stunden lang zählten sie die Tiere, fünfmal im Jahr, sieben Jahre lang.

© Ulrich Meßlinger Mit einer Kollegin paddelte der Biologe Ulrich Meßlinger über die Altmühl, um nach Libellen Ausschau zu halten. Sechs Stunden lang zählten sie die Tiere, fünfmal im Jahr, sieben Jahre lang.

Wer Libellen zählen will, muss viel Zeit mitbringen. Sechs Stunden lang saß Biologe Ulrich Meßlinger mit einer Kollegin in einem Boot und ließ sich vom langsamsten Fluss Bayerns, der Altmühl, dahintreiben. Sechs Stunden langen hielten die beiden nach allen Libellen Ausschau, die sie zu Gesicht kamen, hielten fein säuberlich Individuenzahl und Arten fest. Fünfmal im Jahr wiederholten sie diese Prozedur, sieben Jahre lang.

Das Libellenzählen war Teil einer groß angelegten Untersuchung, die Meßlinger mit Kollegen durchgeführt hat. Der Grund dafür: Auf 23 Kilometern Länge wurde die Altmühl zwischen Gunzenhausen und Treuchtlingen renaturiert. Zwischen 1910 und 1920 war der Fluss begradigt worden, um Platz für die Landwirtschaft zu schaffen und Hochwasser zu verhindern.

Das wurde nun korrigiert: Sieben Millionen Euro hat das Wasserwirtschaftsamt Ansbach zwischen 1999 und 2016 ausgegeben, um Grund zu erwerben und der Altmühl dadurch einen im Schnitt 80 Meter breiten, nicht landwirtschaftlich genutzten Streifen zur Verfügung zu stellen, neue Flussschleifen und Inseln anzulegen, Altarme zu öffnen und feine Verästelungen des Flusssystems zu schaffen.

Libellenpopulation explodiert

Wer so viel investiert, möchte natürlich auch erfahren, ob sich der Aufwand am Ende auszahlt. Bei den Libellen zumindest hat er das. 2010 hatten die Biologen auf ihrer Bootstour noch 5061 Exemplare gezählt, 2016 waren es bereits 18.745 Individuen. Vor allem die Population der häufigsten Art, des Kleinen Granatauges, ist regelrecht explodiert.

"Aber auch die Blauflügel-Prachtlibelle und die Grüne Keiljungfer, die extrem selten waren, haben deutlich zugelegt", sagt Meßlinger. 32 Libellen-Arten haben die Biologen an der Altmühl gezählt, darunter zehn, die auf der Roten Liste stehen.

"Die Vervielfachung von Libellen bedeutet auch eine Vervielfachung der Nahrung für andere Arten, vor allem für Vögel", verdeutlicht Meßlinger. Und so wurden an der mittleren Altmühl nach der Umgestaltung auch mehr Vogelarten und Individuen gezählt, Blaukehlchen etwa, die im Röhricht brühten. Gewaltig zugelegt hat die Dorngrasmücke, ein Singvogel, der von hohen Stauden und Büschen profitiert. Durch die breiten, strukturreichen Uferstreifen konnten zudem vermehrt Rebhühner, Goldammern, Feldschwirle oder Feldlerchen beobachtet werden.

"An der Altmühl hat es eine Potenzierung der Strukturen und Gewässertypen gegeben. Es ist viel mehr Dynamik in das System gekommen, wir verzeichnen eine wahnsinnige Bereicherung im Gewässer", betont Meßlinger. Plötzlich tauchen wieder die seltenen Bachmuscheln auf, zuvor verschwundene Pflanzen wie der Schlammling oder das Braune Zypergras wachsen wieder an der Altmühl. "Das sagt uns, dass der Fluss auch für sehr anspruchsvolle Arten wieder geeignet ist", verdeutlicht Meßlinger.

Wanderachse für Tiere

Durch die breiten Uferstreifen an der umgestalteten Altmühl können nun entlang des Flusses nicht nur Wasserlebewesen in andere Lebensräume gelangen, sondern auch Eidechsen, Molche, Heuschrecken oder Käfer, wie Meßlinger hervorhebt. Flüsse gehören angesichts des Flächenfraßes zu den letzten verbliebenen Wanderachsen und sind für das Überleben vieler Arten unverzichtbar.

"Diese Tiere schaffen es nicht durch intensiv genutzte Flächen. Auf dem Weg in andere Lebensräume muss es immer wieder Strukturen geben, in denen sie sich fortpflanzen können, Kleingewässer, Totholz oder blütenreiche Wiesen zum Beispiel", betont Meßlinger.

Trotz aller positiven Ergebnisse gibt der Biologe dem Wasserwirtschaftsamt Hausaufgaben mit auf dem Weg. Man könnte noch Ufer abflachen und Bodenmulden schaffen, in denen sich Hochwasser länger hält. Im Einzelfall könne man auch nährstoffreichen Boden abtragen, rät der Biologe.

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