104-jährige Erlangerin ist Bewohnerin der ersten Stunde

8.3.2018, 18:00 Uhr
Anna Hott mit ihrer Tochter Christl (li.) und der Leiterin des Pflegezentrums St. Elisabeth, Maria Kormann.

© Klaus-Dieter Schreiter Anna Hott mit ihrer Tochter Christl (li.) und der Leiterin des Pflegezentrums St. Elisabeth, Maria Kormann.

In Pflegeheimen sitzen die Bewohner nur dröge im Gemeinschaftsraum oder auf ihren Zimmern herum? Schon beim Betreten des Gangs hört man jemanden trommeln. Die Geräusche kommen aus dem Musikzimmer, in dem mehrere Bewohner in einem Kreis sitzen, jeder mit einem Instrument in der Hand.

Das Pflegezentrum St. Elisabeth wurde 2007 erstmals von Patienten bezogen. Insgesamt gibt es heute 40 Betten für Langzeit- und Kurzzeitpflege. Günstig ist besonders die Zusammenarbeit mit dem Waldkrankenhaus. "Wenn es einen medizinischen Notfall gibt, haben wir genügend Ärzte im Haus", sagt Maria Kormann von der Einrichtungs- und Pflegedienstleitung.

Eine Bewohnerin der ersten Stunde ist Anna Hott, 104 Jahre alt. Sie hat die Entscheidung in ein Pflegeheim zu gehen selbst gefällt. Mit 94 Jahren brach sie sich den Oberschenkelhals und wurde im Waldkrankenhaus operiert. Im Reha Zentrum las sie in einem Prospekt von der Eröffnung des Pflegeheims und bat ihren Sohn Karl Heinz, sich um einen Platz zu kümmern. "Das wäre was für mich, hat sie zu mir gesagt", erinnert er sich heute.

Mit 80 Jahren hatte sich Anna Hott bereits erstmals nach einem Platz in einem Wohnstift erkundigt. "Das war damals so üblich, dass man sich im Alter nach einem Pflegeheim umschaut", erzählt ihr Sohn. Doch die Mutter wurde abgelehnt. Die Begründung: Sie sei zu spät dran, mit 80 sei sie bereits zu alt für einen Platz.

Also lebte Anna Hott bis zu ihrem Unfall in ihrem Haus am Rathsberg, kümmerte sich eigenständig um den Haushalt und ihren Garten. "Im Krankenhaus hat sie dann selbst gemerkt, dass der Zeitpunkt und die Notwendigkeit gekommen ist", sagt Tochter Christl Hott. Anna Hott hatte selbst ihre Mutter bis zu ihrem Tode gepflegt — mit Hilfe ihrer Kinder, über 24 Stunden abwechselnd. "Unsere Mutter hat wiederum gemerkt, wie anstrengend die Pflege ist und hat aus dieser Erfahrung für sich anders entschieden", sagt Karl Heinz Hott.

Raum mit Blick ins Grüne

Nach der Reha hat sich die Familie gemeinsam das Pflegeheim St. Elisabeth angeschaut und ein Zimmer ausgesucht. Zu diesem Zeitpunkt war das Pflegezentrum noch gar nicht fertig gebaut, alle Zimmer unbesetzt. Anna Hott wählte einen Raum mit Blick ins Grüne. "Sie ist sehr naturverbunden und liebt es Vögel zu beobachten. Deswegen musste es genau dieses Zimmer sein", sagt Christl Hott. Das Pflegeheim bietet ansonsten eine Dachterrasse und einen Wintergarten mit Blick auf den Meilwald. Auch dort verbringt sie sehr viel Zeit.

Weil Anna Hott dennoch ihr Zuhause vermisst, nimmt der Sohn sie anfangs oft mit zu ihrem Grundstück. Seit sie an den Rollstuhl gebunden ist, geht das nicht mehr. "Ich will mal wieder heim. Nimm mich mit. Das sagt sie mir heute noch oft", erzählt Karl Heinz Hott. Seine Mutter hört mittlerweile trotz Hörgeräten schlecht. Sie hat daher Schwierigkeiten, sich mit anderen Bewohnern zu unterhalten und Anschluss zu halten. Auch die Teilnahme an Ausflügen und Festen ist problematisch, weil Hott unter Platzangst in Menschenmengen leidet. Pflegeschwester Cordula, die mittlerweile in ihrer Rente noch ehrenamtlich im Pflegezentrum arbeitet, hat es geschafft, eine besondere Bindung zu Anna Hott aufzubauen. "Sie hat sich so gut um die Mutter gekümmert. Bei ihr hat sie sich hier richtig geborgen gefühlt. Es gibt sogar ein Bild von ihr, das hat sie sich gewünscht", sagt Christl Hott und deutet auf die Kommode.

Gemeinsames Kochen oder Backen 

Einen weiteren Anknüpfungspunkt hat sie durch gemeinsames Kochen oder Backen gefunden. "Mehrfach hat sie stolz erzählt, dass sie heute mit 97 Jahren einen Teig geknetet hat. Das war etwas ganz Besonderes und hat ihr viel Freude bereitet", erzählt die Tochter. Auch beim Basteln und Stricken ist Anna Hott mit Eifer dabei. Christl und Karl Heinz Hott tragen die von ihrer Mutter gestrickten Socken gern im Winter.

Mit 98 Jahren erlitt Anna Hott einen zweiten Oberschenkelhalsbruch, sie brauchte eine neue Hüfte. Seitdem ist sie auf den Rollstuhl angewiesen und kann handwerklich nicht mehr so viel tun. "Sie hat wahrscheinlich die Narkose nicht vertragen und die Operation in ihrem hohen Alter nicht so leicht weggesteckt", sagt Karl Heinz Hott.

Er und seine Schwester besuchen Anna Hott im Pflegeheim täglich. "Wir arbeiten sehr eng mit den Angehörigen zusammen", sagt Maria Kormann von der Einrichtungsleitung. Die Familie ist sehr froh über die Unterstützung durch das Zentrum. "Eines ist klar: Alleine hätten wir das nicht geschafft", sagt die Tochter. Besonders Ausstellungen, Zeitungsvorlesen oder Besuche von Kindergärten schätzen die Hotts sehr. Anfangs hat Anna Hott auch sehr gerne die Bewegungsrunden mitgemacht. Es gibt sogar einen Therapiehund auf der Station, der einmal pro Woche kommt.

Weihnachtslieder auf der Zitter

"An Heiligabend war die Mutter sehr müde und konnte an der Weihnachtsfeier nicht teilnehmen. Ich kann mich noch genau daran erinnern: Maria Kormann ist dann aufs Zimmer gekommen und hat separat für uns ,Stille Nacht, heilige Nacht‘ auf der Zitter gespielt. Das war sehr aufmerksam und das konnte die Mutter richtig genießen", erzählt Christl Hott. Ihre Mutter ist heute nicht nur eine der ersten, sondern auch die älteste Bewohnerin des Pflegeheims.

In den nächsten Jahren soll das Pflegezentrum St. Elisabeth ein eigenständiger Gebäudekomplex werden. "Wir wollen uns verdoppeln, trotzdem soll die Anbindung ans Krankenhaus bleiben. Die Genehmigung haben wir kürzlich bekommen", berichtet Petra Hollederer, die Pressesprecherin. Bis zum Bau werden allerdings noch einige Jahre vergehen. Und wer weiß, vielleicht zieht Anna Hott ja dann wieder mit ein.

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