19-Jähriger beeindruckt die Kletterwelt

1.6.2013, 00:00 Uhr
19-Jähriger beeindruckt die Kletterwelt

© Jorgos Megos

Eigentlich war es ein Nachmittag wie jeder andere. Alexander Megos war mit einigen Freunden ins spanische Siurana 140 Kilometer nordöstlich von Barcelona gereist, um in den dortigen Kalkfelsen zu klettern. Das Ziel des Tages: Der 30 Meter hohe Sektor El Pati.

„Ich habe die Route Estado Critico in Angriff genommen und eigentlich gar nicht vor gehabt, sie onsight zu klettern“, erklärt Erlangens Sportler des Jahres 2011 und 2012. Stattdessen habe er nur ganz ohne Stress schauen wollen, wie weit er kommt. „Im unteren Bereich wäre ich dann auch ein paarmal fast aus der Wand geflogen“, erinnert sich Alex.

Dann fand er jedoch immer wieder gute Griffe und Tritte, und seine Zuversicht stieg. In Gefahr war er dabei zu keiner Zeit: Beim Sportklettern sichert sich der Sportler durch ein Seil, dass an Haken in der Felswand befestigt ist.

Am Fuße des Felsens sammelte sich bereits eine kleine Gruppe von Kletterern, denen langsam dämmerte, dass der strohblonde Junge aus Deutschland dort oben an der Felswand dabei war, etwas Historisches zu leisten: Die erste sogenannte onsight-Begehung einer Route mit dem Schwierigkeitsgrad 9a. Dabei durchsteigt der Kletterer die Wand beim ersten Versuch, ohne sie jemals vorher gesehen oder sich anhand von Videomaterial oder Bildern informiert zu haben.

„Paar Mal echt knapp“

Als Alex nach einer halben Stunde schließlich oben anlangte, war die Überraschung bei ihm selbst fast am größten: „Zwischendurch ist es ein paar Mal echt knapp gewesen, und als ich es dann geschafft hatte, habe ich gedacht, das gibt es doch nicht“, gesteht er.

Weltweit gibt es mehr als 60 Routen der Schwierigkeit 9a – bewertet nach dem international üblichen französischen System. Nur eine Handvoll Routen werden als 9b und damit als noch schwerer eingestuft. Vor Alex Megos’ Meisterleistung am El Pati ist es noch keinem Kletterer jemals gelungen, eine Route im neunten Franzosengrad onsight zu meistern. Das mediale Echo war demzufolge groß. Bereits einen Tag später gingen bei Alex Interview-Anfragen aller großen europäischen Klettermagazine ein. „Es war unglaublich, es brach sozusagen die Hölle los“, erzählt er.

Von diesem Erfolg beflügelt, will er jetzt richtig durchstarten. Sein nächstes Ziel ist Australien und dort vor allem die 70 Meter hohe Sandsteinwand Taipan Wall im Grampians-Nationalpark im Bundesstaat Victoria. „Mein Trainer Patrick Matros sagt, das sei die beste Wand, die es gibt“, verrät Alex. Auch bei dem einen oder anderen Hallen-Wettkampf will er antreten, obwohl sein Herz eindeutig fürs Felsklettern schlägt.

Seit ihn sein Vater vor 13 Jahren zum ersten Mal mit zum Klettern nahm, dreht sich Alexanders Leben um diesen Sport. Seit sechs Jahren trainiert er bei Patrick Matros und Ludwig „Dicki“ Korb im Bundesstützpunkt Erlangen-Nürnberg des Deutschen Alpenvereins (DAV). Den Experten dort war schnell klar, dass es sich bei ihrem Schützling um ein Ausnahmetalent handelt. „Alex hat die körperlichen Voraussetzungen wie eine enorme Fingerkraft und große Ausdauer, so dass er auch lange Routen klettern kann“, sagt Matros. Außerdem habe er die richtige Einstellung: „Alex hat die Fähigkeit, sich Ziele zu setzen und diese auch zu erreichen. Er kann Niederlagen wegstecken und verliert trotzdem nicht den Spaß an der Sache“, so der 38-jährige Trainer.

Nachdem Alexander im vergangenen Jahr Abitur gemacht hat, konzentriert er sich ganz aufs Klettern. Von Oktober bis Januar war er in verschiedenen Klettergebieten in den USA unterwegs, bevor er im März Richtung Spanien aufbrach.

Sein Erfolg in Siurana machte ihn weltweit bekannt. Er wohnt zwar noch bei seinen Eltern, hat aber mittlerweile so viele Sponsoren-Einnahmen, dass er seine Reisen selbst finanzieren kann. Eigentlich hatte er geplant, im Herbst mit dem Studium anzufangen. „Zur Zeit läuft es mit dem Klettern aber so gut, dass ich meinen Studienbeginn noch mindestens ein Jahr verschieben möchte“, erzählt er. „Ich hätte ohnehin nicht genau gewusst, was ich studieren will.“

„Ich will nur klettern“

Eines ist ihm allerdings klar: „Studieren möchte ich auf jeden Fall, denn vom Klettern alleine werde ich nicht leben können“, sagt er. Das gelinge nur einer kleinen weltweiten Elite von Ausnahme-Athleten, und selbst die müssten sich durch Vorträge etwas dazu verdienen. „Das möchte ich nicht“, sagt Alex. Auch einen Übungsleiterschein zu machen, reizt ihn nicht: „Ich will eigentlich nur klettern.“

Für seine Leidenschaft bringt er durchaus Opfer. „Manchmal finde ich es schade, dass ich meine Kumpels, die nicht klettern, so selten sehen kann.“ Derzeit ist er zwar daheim bei seiner Familie, trainiert aber trotzdem fast täglich in der Fränkischen Schweiz oder in der Halle.

Seine Eltern unterstützen ihn. „Ich finde es schön, dass ihm das Klettern so viel Spaß macht und mache mir auch keine Sorgen“, sagt Mutter Anna, die selber klettert. Alex unterscheide sich einfach ein wenig von anderen Jugendlichen und habe kein Bedürfnis nach Partys oder Computer-Rollenspielen. „Das finde ich gut, aber ich würde mir wünschen, dass er entdeckt, dass es im Leben noch etwas anderes gibt als das Klettern.“

Das könnte aber durchaus noch eine Weile dauern, denn ein Leben ohne seinen Sport ist für Alexander momentan absolut undenkbar. Dementsprechend fällt seine Antwort auf die Frage aus, wie es wäre, wenn er möglicherweise aus gesundheitlichen Gründen irgendwann nicht mehr klettern könnte. „Das wäre ganz, ganz furchtbar“, sagt er.

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