30 Jahre Interkultureller Monat in Erlangen

25.9.2016, 15:30 Uhr
30 Jahre Interkultureller Monat in Erlangen

© Roland Thamm

Rückblick 1986: „Damals war ich zehn Jahre alt und bin natürlich in eine rein türkischsprachige Klasse gegangen“, erinnert sich die Vorsitzende des Ausländer- und Integrationsbeirats, Lütfiye Yaver, „schließlich sind ja die meisten Leute immer noch davon ausgegangen, dass wir wieder in die Türkei zurückkehren, denn Deutschland war ja kein Einwanderungsland. Deutsch hatten wir bloß ein paar Stunden in der Woche.“

In Erlangen lebten 1986 fast 10 000 Zuwanderer. Der Ausländerbeirat unter seinem Vorsitzenden Ruhi Teksifer bekam damals seine erste hauptamtliche Geschäftsstelle – und sein erstes kulturelles Großprojekt.

Außer dem „Tag des ausländischen Mitbürgers“, der alle zwei Jahre in der Stadthalle gefeiert wurde, gab es nahezu keinen kulturellen Austausch zwischen den sogenannten „Gastarbeitern“ und den Einheimischen, obwohl zu dieser Zeit schon zahlreiche Kulturvereine aus den Anwerbestaaten aktiv waren: Also entstand die Idee, die Vereine für eine bunte Veranstaltungsreihe zu gewinnen – und der interkulturelle Monat war geboren. Während bundesweit 1986 die erste große Flüchtlingsdebatte lief, luden der „Club der Jugoslawen“, die „Griechische Gemeinde“ oder der „Türkische Kulturverein“ die Stadtgesellschaft ein, um den neusten Gedichten des Erlanger Schriftstellers Habib Bektas zu lauschen oder beim Straßenfest mit Retsina und Zaziki über die Rolle Griechenlands in der EU zu diskutieren.

Heute, im Jahr 2016, spiegelt das Veranstaltungsheft mit 64 Seiten das bunte Leben von fast 90 ausländischen und deutsch-ausländischen Vereine und Gruppierungen in Erlangen wider. Darin lässt sich auch die Zuwanderungsgeschichte der letzten 30 Jahre ablesen. Einrichtungen wie die „Chinesische Schule“, der „Namaste Ladies Club“ oder der „Deutsch-brasilianische Kreis“ gehören ebenso zu den Veranstaltern wie die Erlanger Stadtteilbüros, für die interkulturelle Vielfalt mittlerweile zum Tagesgeschäft gehört.

Dies führe unter anderem dazu, das Programm „Interkultureller Monat“ in seinem derzeitigen Format nicht mehr weiterzuführen: „Wenn wir den einen Interkulturellen Monat nach wie vor so betonen“, erläutert Yaver, „erklären wir ja ein Stück weit die anderen elf Monate zu nicht-interkulturellen Monaten. Dass das Quatsch ist, kann jeder sehen, der sich mal das Veranstaltungsangebot in Erlangen genau ansieht.“ Das ist nicht der einzige Grund. „Viele Migrantenvereine sind mittlerweile in die Jahre gekommen. Der Nachwuchs aus der zweiten und dritten Generation hat eine eigene kulturelle Identität angenommen, die mit der der Väter und Mütter aus der ersten Generation nicht mehr so viel gemeinsam hat. Viele Vereine haben bei den großen Festen in den letzten Jahren die Folkloretanzgruppen schon aus Nürnberg geholt, weil sie gar keine eigenen Tanzgruppen mehr haben“, sagt Till Fichtner von der Geschäftsstelle des AIB,

Dazu kommt, dass im Zeitalter des Internets junge Menschen nur schwer für Diavorträge über die Naturschönheiten Afghanistans oder Vietnams zu begeistern sind. Gleichzeitig müsse das Thema „Interkultur“ bei den klassischen Kultureinrichtungen viel stärker bespielt werden als bisher – so der einstimmige Tenor der diesjährigen städtischen Integrationskonferenz. Das „Fest der Kulturen“ — vom AIB dieses Jahr erstmals an neuem Ort, im Kulturzentrum E-Werk, veranstaltet — gibt einen ersten Hinweis auf eine mögliche neue Richtung.

Was bleibt vom Interkulturellen Monat? Till Fichtner: „Dass er den Erlangern die wunderbare Vielfalt der Stadt näher gebracht hat und mit seinen vielen verschiedenen Blickwinkeln seinen Anteil zu einem offenen Klima in der Hugenottenstadt beigetragen hat.

Und dass er mit den „Black History Weeks“ einen kleinen Nachwuchs in die Welt gesetzt hat, der neue Akzente setzen wird.“

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