30. September 1964: Erlangen braucht eigenes Ensemble

30.9.2014, 07:00 Uhr

Er geht aus von notwendigen baulichen Veränderungen am Markgrafentheater und fährt dann fort: „Es sollte bei dieser Gelegenheit jedoch auch gleich an die notwendigen Nebengebäude, wie Werkstätten, Proberäume etc. gedacht werden, und zwar im Hinblick auf ein späteres eigenes Theaterensemble. Und der letztere Begriff soll nun zum eigentlichen Inhalt dieser Zeilen werden. Wie steht es mit einem festen eigenen Ensemble? Kann sich dies Erlangen leisten? Sind wir mit dem gegenwärtigen Zustand zufrieden?

Das bisher praktizierte sogenannte „Startheater“ brachte uns ausgezeichnete Leistungen einzelner Schauspieler. Meistens litt darunter jedoch die Ensembleleistung, denn um einen überragenden Schauspieler gruppierten sich weniger begabte Kräfte, so dass sich fast niemals eine abgewogene und abgerundete Aufführung ergab. Die überaus hohen Honorarforderungen für solche Aufführungen stehen wirklich in keinem Verhältnis zum Gesamtgebotenen. Die Spielplangestaltung für die Trägerorganisationen ist äußerst schwierig, weil die Stücke von den Agenturen nach Katalog „bestellt“ werden müssen und dies meist schon ein Jahr voraus. Man weiß fast nichts über die Inszenierung, wenig über die Schauspieler, die oft ganz andere, als die im Katalog angepriesenen sind, wenn dann endlich das Stück in unserem Theater aufgeführt wird. Hinzu kommt das routinemäßige Abspielen des Stückes, das sich bei einem Tourneetheater nicht vermeiden lässt und wobei auf örtliche Verhältnisse (Bühne oder Publikum) wenig Rücksicht genommen werden kann.

Die Volksbühne versucht mit Erfolg alljährlich in ihren Spielplan kleinere ortsgebundene Ensembles aufzunehmen. Es zeigt sich, dass diese durchaus einen Vergleich mit den so gepriesenen Starensembles standhalten, denn ihre Gesamtleistung ist entscheidend und hier ergab sich bisher immer eine abgerundete und wohl abgewogene Aufführung. Warum wir dies sagen? Nicht nur, weil uns das sogenannte Startheater alljährlich in ein finanzielles Risiko stürzt das kaum zu bewältigen ist, sondern weil jede eigene künstlerische Note verloren geht. Und gerade wir als Volksbühne sollten und müssen darauf größten Wert legen. Daher wäre auch unser größter Wunsch, ein eigenes Theaterensemble. Wir sind dabei nicht vermessen, wenn wir meinen, dass alle drei Gattungen, also Schauspiel, Oper und Operette vertreten sein sollten. Gerade Oper und Operette waren doch bisher in Erlangen im stiefmüttlerlichen Winkel, obwohl gerade diese beiden Spielgattungen finanziell das Schauspiel und das von der Masse der Theaterbesucher in erster Linie gesehen werden wollen.

Dass ein eigenes Ensemble finanzielle Lasten für die Stadt bedeuten, ist selbstverständlich. Aber wo kostet Kultur nichts und ist nicht eines unserer größten Güter, die zu fördern und zu pflegen die Angelegenheit jedes Einzelnen und erst recht der Gesamtbürgerschaft sein sollte. Sehen wir uns einmal im Lande um! Wie viel größere Städte gibt es noch ohne eigenes Theaterensemble. Viele kleinere und vor allem finanziell schwächere Orte als Erlangen haben die Bedeutung und den Wert einer „eigenen Bühne“ erkannt. Von der besonderen geistigen und kulturellen Stellung Erlangens als Universitätsstadt soll dabei gar nicht gesprochen werden.

Dass sich unser großer Wunsch nicht über Nacht verwirklichen lässt, ist jedem klar. Es sollte uns auch der evtl. Einwand der Nähe Nürnbergs nicht schrecken; vielmehr sollte dies ein Ansporn zu eigenen größeren Anstrengungen sein. Der kürzlich von Herrn Oberbürgermeister Dr. Lades gemachte Vorschlag, ein eigenes Theaterensemble schon jetzt langsam aufzubauen, gefällt uns sehr, nur kann nicht der Weg über die Studiobühne der Universität gewählt werden. Diese sollte ihren eigenen Charakter und Stil als Studentenbühne behalten, der sich doch recht krass von einem Berufstheater unterscheidet.

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