60 Jahre Gewobau: »Wir kümmern uns um alle Menschen«

24.4.2010, 00:00 Uhr
60 Jahre Gewobau: »Wir kümmern uns um alle Menschen«

© Bernd Böhner

Als die Gewobau 1950 gegründet wurde, musste Deutschland den Wiederaufbau stemmen und eine riesige Flüchtlingswelle verkraften. Warum nahm die Stadt den Wohnungsbau damals selbst in die Hand?

Kamp: Unsere Hauptaufgabe war es damals und ist es nach wie vor, adäquaten Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten zur Verfügung zu stellen. Um diese massiven Wohn-Probleme nach dem Krieg zu lösen, kam es in vielen Städten zu derartigen Gründungen, wobei unsere Gewobau seit ihrem Start zu 94 Prozent von der Stadt und zu vier Prozent von der Sparkasse getragen wird. Über Jahrzehnte hinweg, bis in die 80er Jahre hinein, haben wir danach in städtischem Auftrag vorrangig Wohnraum für Erlangen geschaffen.

Heute sind im Wohnungsbau viele Unternehmen aus der freien Wirtschaft tätig. Werden kommunal gesteuerte Wohnungsbaugesellschaften überhaupt noch gebraucht?

Kamp: Aber sehr wohl. Wir sind das Organ der städtischen Wohnungsbaupolitik, hier ist sie fest in öffentlicher Hand. Unsere Aufgabe ist es ja nicht nur, Wohnungen zu errichten und zu unterhalten. Wir haben auch den expliziten Auftrag, uns um Menschen zu kümmern, die auf dem freien Markt keine Chancen hätten. Denken Sie beispielsweise an alleinerziehende Mütter oder an Migranten. Dieser soziale Auftrag ist sehr wichtig, zumal in Erlangen mit seinen hohen Mieten. Und: Gerade in Deutschland leben sehr viele Menschen in Miete, die Eigenheimquote liegt bei lediglich 42 Prozent. Das ist im internationalen Vergleich gering, zeigt jedoch, wie sehr Wohnungsbauunternehmen ge-braucht werden, die nicht der Gewinnmaximierung unterliegen.

Eine Folge ist, dass solchen Unternehmen das Image anhängt, nur sozial Schwache zu beherbergen.

Kamp: Das ist das Stigma der kommunalen Gesellschaften, aber wir haben eben für die breite Bevölkerung da zu sein. Ich finde, wir haben in unseren Siedlungen eine gute soziale Mischung. Und wir steuern inzwischen gegen, wenn wir sehen, dass sich an bestimmten Punkten Probleme entwickeln. Bruck ist da ein Beispiel. Hier mussten wir vor Jahren schnell Wohnraum für die vielen Zuwanderer aus dem Osten schaffen. Werden jetzt Wohnungen neu belegt, streben wir eine Verteilung über das ganze Stadtgebiet an. Ein weiteres Beispiel sind die alleinstehenden Personen aus den Verfügungswohnungen. Auch hier sind wir dabei, die Situation zu entzerren und neue Quartiere zu finden.

Die Erlanger Gewobau gilt heute als Unternehmen, das seinen sozialen Auftrag in gelungener Weise mit den Aufgaben des Wohnungsbaues koppeln kann. Die vergangenen zehn Jahre, auch mit ihren Veränderungen im Stadtbild, sind dafür ein augenfälliger Beleg. Skizzieren Sie uns kurz die großen Sanierungsprojekte der jüngeren Unternehmensgeschichte?

Kamp: In den 90er Jahren sahen wir, dass die Sanierung vieler veralteter, sehr einfach ausgestatteter Gebäude unausweichlich war. Zum Kernstück und ersten Kraftakt wurde der Anger mit seinen 900 Wohnungen. Dort konnten wir die Modernisierung 2002 nach nur zwei Jahren und mit einen Investitionsaufwand von 42 Millionen Euro abschließen. Auch der vorübergehende Umzug der Mieter in Ausweichwohnungen, den wir dort erstmals praktizierten, verlief ohne große Probleme und hat sich bei allen Sanierungen bewährt. Das nächste Großprojekt gingen wir bereits 2003 im Erlanger Osten mit 540 Wohnungen an. So haben wir seit dem Jahr 2000 knapp 3000 Wohnungen im gesamten Stadtgebiet modernisiert, auch neue, attraktive Wohnungen etwa für Familien oder Senioren geschaffen. Insgesamt haben wir bis heute rund 150 Millionen Euro investiert und über 85 Prozent unseres sanierungsbedürftigen Bestandes modernisiert.

Eine der Herausforderungen des Wohnungsbaues ist die Nachhaltigkeit. Hat die Gewobau auch die ökologische Komponente bedacht?

Kamp: Absolut. Das war für uns ein wesentlicher Aspekt der Sanierungen, der sich bei unseren Mietern längst in deutlich gesunkenen Nebenkosten bemerkbar macht. In den sanierten Wohnungen haben wir heute beispielsweise einen Heizenergieverbrauch, der 30 Prozent unter dem bundesdeutschen Durchschnitt liegt. So können wir preisgünstigen Wohnraum anbieten, für den wir auch eine entsprechend hohe Nachfrage haben.

Auch in den kommenden Jahren wird die Gewobau weiter Altes sanieren oder, wie etwa an der Elisabethstraße, völlig Neues errichten. Ebenso steht der Verkauf von Belegungsrechten an ehemaligen Sozialwohnungen an. Was hat sich die Gewobau noch vorgenommen?

Kamp: Wir werden auch in Zukunft unseren Bestand erhalten, ganz klar. Eine wesentliche Aufgabe sehe ich aber auch darin, den sozialen Frieden zu wahren und die Integration unserer Zuwanderer zu fördern.

Interview: G. GUTHMANN