Aus Erlangen in die gruselig schönen Welt des Internets

18.11.2017, 18:00 Uhr
Wer ist Kant? Wer ist Knapp?

© Harald Sippel Wer ist Kant? Wer ist Knapp?

Hatte sich das Naturwissenschaftler-Duo im Frühjahr noch der Welt der Algorithmen angenommen, ist es diesmal die Datenkrake Google, die in der Ausstellung "QuasiReal" im Mittelpunkt steht und Anlass ist, nach dem Preis der digitalen Freiheit zu fragen. Dabei kommen die beiden – auch ästhetisch – zu überzeugenden Ergebnissen, und der Besucher fasst sich als "User" der schönen neuen Datenwelt betroffen an die eigene Nase.

Der Ausstellungstitel QuasiReal löst sich bei der Betrachtung der Großbuchstaben schnell als der berüchtigte QR-Code auf, der mittels Smartphone-Kamera eine ganze Welt dahinter öffnet. Im Black Cube geht es aber keineswegs nur um so harmlos erscheinende Verschlüsselungen wie einen DB-Fahrschein – hier wird in fast detektivischer, auf jeden Fall spitzbübischer Manier gezeigt, wie das weltweit am meisten genutzte Zugangsportal zur digitalen Welt uns alle bereits im Griff hat.

Das Künstlerduo Reinhold Knapp (li.) und Rainer F. Schulz.

Das Künstlerduo Reinhold Knapp (li.) und Rainer F. Schulz. © Harald Sippel

Dabei haben Knapp und Schulz zu einem Trick gegriffen, der schon etwas Geniales hat. Nach dem Marx’schen Diktum, man müsse den schlechten Verhältnissen nur ihre eigene Melodie vorsingen, um sie zum Tanzen zu bringen, präsentieren sie auf unterschiedlichsten, teils sehr ironisch gebrochenen Werken QR-Codes, die der Besucher mit seinem Smartphone "öffnen" kann. Dahinter verbirgt sich dann jeweils eine Realfiktion, die Reinhold Knapp aus dem WorldWideWeb herausgefiltert und neu komponiert hat.

So offeriert der QR-Code eines kunstvoll bestickten Kissens mit Kätzchen-Motiv auf diese Weise allerlei kommerzielle Angebote aus der Haustierabteilung großer Warenhäuser, im Film mit einer Liebesszene lauert Werbung für allerlei Haushaltsdinge, die so ein frischvermähltes Paar eben benötigt. Und der QR-Code am Kruzifix eröffnet einen ganzen Kosmos an Sinn- und Orientierungshilfen.

Zudem hat Knapp einen Film "gedreht", der, gesprochen von zwei Schauspielern, Goethes faustischen Gretchen-Dialog als ironisch verfremdete Folie nimmt, um beim latenten Datenabgriff den tatsächlichen Stand der Dinge zu verhandeln. "Wie hast du’s mit der Religion?", fragt Gretchen Faust – und heute antwortet nicht Faust, sondern Wikipedia über die Suchmaschine Google, nicht ohne handgreifliche Angebote.

Eines der sinnfälligsten Exponate ist die Gegenüberstellung der Nutzerbedingungen des Konzerns aus Kalifornien – nur als Screenshot, weil nicht herunterladbar! – mit einem Faksimile der Magna Charta, der ersten Auflistung von Bürgerrechten. Was das mit Google und dem QR-Code zu tun hat? Sehr viel, wie sich zeigt. Am besten zeigt es sich, wenn man sich adäquat verhält: Also Smartphone raus, QR-Code öffnen und hineinspazieren in die Wunderwelt der grenzenlosen Internetangebote. Das Schönste: Diesmal hört Google nicht mit und greift keine persönlichen Daten ab.

QuasiReal, Vom Preis der digitalen Freiheit, Galerie Black Cube, Atelier Reinhold Knapp, Apfelstraße 4, Öffnungszeiten unter Tel. 400 11 80, www.knapp-art.de

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