Bauchkribbeln ohne Konkurrenz

18.1.2017, 06:00 Uhr
Bauchkribbeln ohne Konkurrenz

© Fotos:Klaus-Dieter Schreiter

So ruhig war es in dieser Halle lange nicht bei einer Meisterschaft. Man hört es nur leise atmen, dann macht es einen dumpfen Schlag. Der Pfeil trifft ins Ziel. Zu spüren ist eine Spannung, nicht nur die des Bogens, sondern auch der Sportler. Erst wenn alle ihre Runde absolviert, ihre drei Pfeile Richtung Zielscheibe geschossen haben, löst Bewegung das Starre ab.

Parallel auf ihren Bahnen gehen die Bogenschützen vor, um ihre Pfeile von den 18 Meter entfernten Zielscheiben zu holen und ihre Ringe zu zählen. Manche laufen, andere humpeln und wieder andere fahren mit ihrem Rollstuhl. Dementsprechend unterschiedlich lange braucht jeder, bis er seine Wertung aufgeschrieben hat. Doch hier bekommt jeder Sportler so viel Zeit, wie er braucht. Es ist die 31. Bayerische Meisterschaft für Bogenschützen mit Behinderung.

23 Schützen sind dabei, aufgeteilt in drei Bogen-Arten und Altersklassen. Das macht diese Meisterschaft so seltsam. Denn in den meisten Kategorien sind die Teilnehmer ohne Konkurrenz. Auch Horst Braunschläger vom BSC Erlangen. Mit einem Gesamtergebnis von 499 Ringen ist er Erster und Einziger in der Altersklasse Recourve.

Den 52-Jährigen, der seine Schulter seit Geburt an nicht richtig bewegen kann, stört das nicht. „Ich sehe die Ergebnisse der anderen. Außerdem schieße ich für mich. Sich immer zu verbessern, macht Spaß.“ Die Kommunikation mit möglichen Kontrahenten hingegen ist schwierig. Braunschläger nuschelt seine Sätze in feinstem Dialekt in den buschigen Schnauzbart. Seit einem halben Jahr schießt der Unterfranke für den BSC. „Zum Training komme ich aber nicht her.“ Dafür gibt es eine spezielle Vereinsmitgliedschaft, mit der man einen geringen Beitrag zahlt, aber an Behinderten-Meisterschaften starten darf.

211 Mitglieder hat der BSC, 13 davon haben ein Handicap. „Bei uns wurde Inklusion schon immer gelebt“, sagt die Vorsitzende Sabine Müller-Martin. Zur Hallen-Meisterschaft allerdings kommen immer weniger Teilnehmer. „Viele Bogenschützen haben kein Interesse daran. Es fehlt der Reiz, sich im Wettkampf zu messen.“

Bauchkribbeln ohne Konkurrenz

Vanessa Bui sieht das anders. Die 24-Jährige vom BS Fürstenfeldbruck hätte es im vergangen Jahr beinahe zu den Paralympics geschafft. Vor acht Jahren hatte sie nach einer Sportart gesucht, die sie trotz Gehbehinderung ausüben konnte. „Laufen war also nicht drin.“ Bogenschießen machte ihr Spaß. „Auf Turnieren kamen dann die ersten Erfolge.“

In Erlangen schießt sie ohne Konkurrenz — schon allein deshalb, weil niemand so gut ist wie sie. „Trotzdem ist es eine andere Atmosphäre als im Training. Es hat einen offiziellen Charakter.“ Bui bekommt dann ein wenig Bauchkribbeln. Daheim in ihrem Zimmer hat sie das nicht, auch wenn sie dort neben ihrem Schreibtisch mit ihrem Compound-Bogen übt. „Ich bin nur zwei Meter vor der Scheibe entfernt. Mehr Platz ist nicht.“

Ihr Ziel sind die Paralympischen Spiele 2020 in Tokio. Der Weg dorthin führt über das Turnier in Erlangen, auch wenn sie sich hinterher nicht Bayerische Meisterin nennt. Um den Titel tragen zu dürfen, müssen mindestens fünf Teilnehmer in der Klasse schießen. Das allerdings war diesmal nur in der Recurve Seniorenklasse der Fall. Das Rennen dort machte Herbert Köhler aus Oberdürrbach.

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