Bei der WAB Kosbach hat jetzt die Lebenshilfe das Sagen

27.4.2018, 15:00 Uhr
Bei der WAB Kosbach hat jetzt die Lebenshilfe das Sagen

© Foto: WAB

Der Reihe nach. Die WAB, eine sogenannte gemeinnützige GmbH, wurde vor 35 Jahren von dem Ehepaar Edith und Leonhard Hirl in Kosbach gegründet. Zweck: Hilfe in Form von Wohnungen, Arbeitstherapien, Betreuung für seelisch Behinderte. Das Gemeinnützige an der Firma sind die gesellschaftlichen Aufgaben, die sie erfüllt. Gewinne fließen in das Unternehmen zurück, die Gründer zahlten sich ein Gehalt. Im Gegenzug erleichtert der Staat für solche "gGmbHs" die Steuerlast. Es gilt der reduzierte Umsatzsteuersatz von 7 Prozent, Körperschafts- und eventuelle Gewerbesteuer werden ganz oder teilweise erlassen.

Damals, so Leonhard Hirl auf Anfrage heute, begann eine "traurige Erfolgsgeschichte". Hirl, ehemals leitender Mitarbeiter im Psychologischen Dienst der Mainfranken-Werkstätten der Würzburger Lebenshilfe, sah dort, dass psychisch Kranke im Betreuungs-Ranking der einschlägigen Institutionen am unteren Ende rangieren, und beschloss "andere Wege zu gehen" in deren Betreuung. Das Ehepaar Hirl übernahm das in den Niederlanden erprobte Konzept der kleinen Wohneinheiten für seelisch Behinderte, die auch mitten in Wohngebieten liegen sollten — des hilfreichen nachbarlichen Zusammenlebens wegen.

Mit zwei Bewohnern fing die WAB in Kosbach an. Heute betreut sie laut Hirl rund 300 Menschen in gut zwei Dutzend Wohn-Einheiten, hat 140 Mitarbeiter, betreibt als Arbeitstherapie eine Schreinerei in Adelsdorf, das Café im ehemaligen Bekleidungshaus Benkert in Höchstadt, bietet Dienstleistungen im Gartenbau an. Die Gründer sind heute 76 bzw. 75 Jahre alt. Die Überlegung, was aus dem Unternehmen werden soll, wenn sie sich zurückziehen, führte — nach vier Verkaufsversuchen an die Gremsdorfer Einrichtung der Barmherzigen Brüder, an die Laufer Mühle, an den Kreisverband des Roten Kreuzes und an den ASB zur Lebenshilfe Herzogenaurach. Mit dieser hatte man, sagt Hirl, stets sehr gut zusammengearbeitet. Seit zehn Jahren ist die Lebenshilfe schon Gesellschafter der WAB-GmbH, erst mit zehn Prozent Beteiligung, seit fünf Jahren mit 20 Prozent.

Seit Januar gehören dem Herzogenauracher Verein 70 Prozent. Eine Sperrminorität von 30 Prozent hält Andreas Hirl, Sohn des Gründer-Ehepaars.

Lebenshilfe-Geschäftsführer Josef Hennemann kann somit solche grundlegenden Entscheidungen, die nach den Regeln der WAB eine Dreiviertelmehrheit erfordern, nur im Einvernehmen mit dem Mitgesellschafter fällen.

Wie Hennemann auf Anfrage unserer Zeitung erklärte, plane der neue Mehrheitseigner auch gar keine grundlegenden, nicht einmal leichte Änderungen im operativen Geschäft. In der Verwaltung wolle man freilich Synergien nutzen — z. B. bei der Bewältigung der neuen EU-Datenschutz-Richtlinien. Die WAB wird also jetzt von Herzogenaurach aus verwaltet.

Was sie ausmacht, die Betreuung in kleinstrukturierten Wohneinheiten, will Hennemann, wolle die Lebenshilfe beibehalten — als Markenkern sozusagen. Mit der WAB steigert die Lebenshilfe ihre Mitarbeiterzahl auf rund 600 und erschließt sich einen neuen Markt, wirtschaftlich anders ausgedrückt, erweitert ihr Portfolio um das Segment "seelisch Behinderte". "Eine große Sache", so Hennemann, die viele Möglichkeiten biete. Man werde alle Arbeitsbereiche aufrechterhalten und versuchen, sie weiterzuentwickeln. Auch Entlassungen bei der WAB werde es nicht geben.

Mit einer Ausnahme. Jürgen Ganzmann, vor fünf Jahren von den Hirls vom BRK-Seniorenheim in Etzelskirchen zur WAB geholt, musste gehen.

Diese Abberufung hat das herzliche Verhältnis zwischen den Gründern und ihren Käufern schwer erschüttert, wie sie auch Ganzmann heftig getroffen hat. Leonhard Hirl sagt, die WAB verdanke ihrem Ex-Geschäftsführer einen fünfjährigen Aufschwung. Ganzmann habe untadelig gearbeitet, die Art und Weise seiner Abberufung sei der Lebenshilfe eigentlich unwürdig: "Die haben auch nicht mit uns gesprochen". Jetzt, so Hirl, machen sich Gerüchte breit, Ganzmann, eine sehr bekannte Figur in der "Branche", habe sich etwas zu Schulden kommen lassen. Hirl stellt klar: "Da ist nichts. An seiner Arbeit gab es nichts zu deuteln."

Auch Ganzmann selbst sieht seinen Ruf beschädigt. Auf Anfrage sagte der knapp 60-Jährige, es habe ihn tief getroffen, von einem Tag auf den anderen so würdelos abberufen worden zu sein. In der WAB sei "Herzblut drin", sie habe unter seiner Leitung wirtschaftlich gut dagestanden.

Josef Hennemann, mit diesen Vorwürfen konfrontiert, bejaht Letzteres, betont, die Lebenshilfe und er hätten sich gut vorstellen können, mit Ganzmann als leitendem Mitarbeiter in der WAB weiterzumachen. Freilich nicht als Geschäftsführer. Ziel der Lebenshilfe sei nicht die Entlassung gewesen, nur die Abberufung als Geschäftsführer. Die Lebenshilfe habe Ganzmann ein "faires Angebot" (Hennemann) unterbreitet, mit einem Altersteilzeit-Vertrag die sechs Jahre bis zum Ruhestand weiterzumachen, und zwar "nicht als Pförtner". Er habe dies nicht angenommen.

Behindertenbeauftragter des Landkreises ist Ganzmann noch. Im Aufsichtsrat der Lebenshilfe sitzt neben dem Vorsitzenden Ulrich Wustmann, dessen Stellvertreterin Claudia Bach, German Hacker und Joachim Masatz und sein diesbezüglich Vorgesetzter, Landrat Alexander Tritthart.

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