Bergkirchweih: Rettungsinseln bewähren sich

21.5.2016, 06:00 Uhr
Bergkirchweih: Rettungsinseln bewähren sich

© Foto: Klaus-Dieter Schreiter

Überall sind Menschen, Ellbogen an Ellbogen schiebt sich die Masse den Berg hinab Richtung Innenstadt. Viele sind betrunken. Plötzlich spürt man eine fremde Hand, zuerst an den Schultern, dann an der Taille. Ein Blick zurück, doch zu sehen sind nur zahllose Gesichter lallender Fremder. Ein Klaps auf den Hintern, ein Griff unter den Dirndl-Rock. Bloß weg hier. Doch einen Ausweg im Gedränge gibt es nicht.

Erst am Martin-Luther-Platz werden die Abstände größer, sieht man wieder seine eigenen Füße und auch ein wenig vom Asphalt. Mitten auf dem Platz steht ein weißer Container, es ist ein Ort der Sicherheit, der Ruhe. Egal wie laut es draußen ist, innerhalb der vier Wände ist es still. Warm. Leer. Eingewickelt in eine kuschelige blaue Decke klingt der Schreck langsam ab. Auf einem Stuhl sitzt Nicolai Sandig. Er hat diese Nacht Dienst.

Ernstfall am Pfingstsamstag

Von 22 Uhr bis 3 Uhr ist die Station, die es zum ersten Mal während der Bergkirchweih gibt, vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) besetzt, zudem betreut der ASB die Bergwache Ost. Um die Bergwachen Mitte und West kümmert sich das Bayerische Rote Kreuz (BRK). Alle vier Stationen sind erstmals auch Rettungsinseln für Frauen und Mädchen, die Opfer sexueller Übergriffe geworden sind oder sich bedroht fühlen.

Um auf die neue Aufgabe sensibel reagieren zu können, haben die Rettungskräfte eine Zusatz-Schulung absolviert. "Wir konnten gezielt Fragen stellen, wie wir uns verhalten sollen", sagt Sandig. An diesem Abend ist es ruhig, bislang brauchte eine Berg-Gängerin mit neuen Schuhen lediglich ein Blasenpflaster.

"Wir können hier die Basis-Versorgung leisten", sagt Sandig. Früher musste bei einem Notfall in der Innenstadt immer der Rettungswagen anrücken, jetzt sind die Helfer sofort vor Ort. Um Präsenz zu zeigen, halten sie sich meist vor dem Container auf. Eine Frau, die verfolgt oder bedrängt wurde, hatte Sandig noch nicht.


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Die Kollegen vom BRK hingegen erlebten auf der Bergwache Mitte am Pfingstsamstag den Ernstfall. "Die Zusatz-Ausbildung hat den Praxistest bestanden", sagt Thomas Heideloff vom BRK. Dass bislang erst eine Frau die Rettungsinseln nach sexueller Belästigung aufgesucht hat, sei allerdings kein Gradmesser für die Notwendigkeit der Einrichtung. Darin sind sich Stadt, Polizei und Rettungskräfte einig.

"Es ist wichtig, dass wir auf dem Platz mit einem Erste-Hilfe-Angebot präsent sind", sagt Oberbürgermeister Florian Janik. "Außerdem senden wir ein klares Signal: Sexuelle Belästigung wird hier nicht geduldet." Diese Kombination beizubehalten, "da bin ich sehr dafür".

Auch Birgit Hartwig vom Notruf für vergewaltigte Mädchen und Frauen hofft, dass es die Rettungsinseln im nächsten Jahr wieder geben wird. Der Verein hat die Schulungen der Rettungskräfte durchgeführt. „Wir wollen es weiterentwickeln. Die Stationen könnten besser ausgeschildert sein, damit man sie schneller findet. Wirklich angenommen sind sie noch nicht.“ Dennoch ist Hartwig zufrieden: "Frauen waren nach sexueller Belästigung empört und haben sich bei der Polizei gemeldet." Das sei auch der Kampagne rund um die Rettungsinseln zu verdanken. Bislang gab es acht angezeigte Fälle. "Die Polizisten nehmen es auf - und ernst."

An diesem Wochenende sind noch einmal mehr Beamte im Einsatz, auch in zivil. Manche Vorfälle passieren so schnell, dass die Frauen den Mann, der sie angefasst hat, gar nicht wiedererkennen können. "Eine Frau hat nur die Augen gesehen, war nur darauf fixiert", sagt Polizeisprecherin Elke Schönwald. Die Rettungsinsel in der Innenstadt hat sich bewährt. Frauen mit Panikattacken im Gedränge haben die Helfer ebenso versorgt wie Menschen mit Schnittverletzungen oder Alkoholvergiftungen. Selbst nach einer Trennung vom Freund waren die Notinseln ein sicherer Ort.

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