"Besser als die Aussichten bei Jamaika"

8.2.2018, 12:00 Uhr

© Michael Kappeler/dpa

Helmut König, Vorsitzender der Kreisgruppe des Bund Naturschutz in Erlangen-Höchstadt, gehen die formulierten Klimaziele im Koalitionsvertrag nicht weit genug. "Die Politik ist einfach zu zauderhaft", meint er und fordert die Abschaltung von Kohlekraftwerken. "Wir exportieren Strom ins Ausland und müssen mit dem CO2 leben." Das könne so nicht weitergehen, deswegen habe der BN den Abgeordneten Stefan Müller um einen Termin gebeten, in dem er darlegt, wie die Regierung sich das in Zukunft vorstelle. Wir müssen die Probleme jetzt anpacken und nicht immer aufschieben", mahnt er mit Blick auf die Frist bis 2030 zur Erreichung von Zielen in den Sektoren Energie, Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude. "Wir müssen sofort etwas ändern."

 

Patrick Siegler, Vorsitzender des IHK-Gremiums Erlangen, ist froh, "dass es geschafft ist". Wichtig sei es nun, dass die Regierung möglichst schnell ihre Arbeit aufnehmen kann und "verlässlicher Partner der Unternehmen ist". Damit Unternehmen Investitionsentscheidungen treffen könnten, bedarf es laut Siegler zuverlässiger Rahmenbedingungen, etwa bei der Steuer- und Arbeitsmarktpolitik, in der Energiepolitik und bei der Digitalisierung.

"Die neue Regierung muss die Wirtschaft im Interesse der Bürger stärken. Auch die Belange der kleinen und mittleren Unternehmen müssen berücksichtigt werden", so der Chef des IHK-Gremiums weiter. Darüber hinaus erhofft sich Patrick Siegler einen deutlichen Bürokratieabbau. Zusätzlichen finanziellen Belastungen für die Wirtschaft erteilt er eine Absage.

Albert Prickarz, kaufmännischer Leiter im Kreiskrankenhaus St. Anna in Höchstadt findet: Viele Ansätze in der Gesundheitspolitik "klingen erstmal gut." Die Verhandler hätten verstanden, dass eine gute Aufteilung zwischen Maximalversorgern, also großen Kliniken wie in Erlangen, und Grundversorgern wie in Höchstadt, sinnvoll ist. Er hofft auf Investitionen besonders bei der Digitalisierung. Im Kampf gegen Fachkräftemangel hält er das Sofortprogramm zur Pflege zwar für gut. "Aber für viele kommt es zu spät." Er wünscht sich einen wesentlich nachhaltigeren Ansatz. "Ein paar Sorgen" bereitet ihm die Qualitätsdiskussion, nicht wegen der einzuhaltenden Standards — die seien kein Problem — sondern wegen dem hohen Verwaltungsaufwand. cf

"Es wurde höchste Zeit"

Stefan Müller, Bundestagsabgeordneter und Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Bundestag, freut sich sehr, dass eine Einigung bei den Koalitionsverhandlungen erreicht werden konnte: "Es war auch allerhöchste Zeit dafür." Als Wahlkreisabgeordneter schaue er zuerst einmal auf den Wahlkreis Erlangen. "Für uns hier sind die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung und die Verstetigung des Hochschulpaktes besondere Erfolge. Die steuerliche Forschungsförderung nutzt ganz direkt den vielen kleinen und mittleren Technologieunternehmen, die in unserer Region für Arbeitsplätze und Wohlstand sorgen", hebt Müller hervor.

Der Hochschulpakt bedeute ganz konkret, dass die Friedrich-Alexander-Universität vom Bund verlässlich Geld für die Qualität in Forschung und Lehre bekomme. Ganz wichtig sei ihm auch der Bereich Wohnungsbau. "Wir haben uns darauf geeinigt, Familien beim Erwerb von Wohneigentum mit einem Baukindergeld in Höhe von 1200 Euro je Kind pro Jahr zu unterstützen. Das war ein Thema, für das ich mich persönlich im Wahlkampf eingesetzt hatte. Deshalb freue ich mich besonders, dass uns hier eine Einigung gelungen ist", hebt Müller hervor.

Sein Fazit: "Insgesamt haben wir als CSU uns mit den zentralen Themen aus unserem Bayernplan weitgehend durchgesetzt. Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden ist, auch wenn eindeutig alle Seiten Kompromisse machen mussten. Das liegt aber in der Natur der Sache."

Stefan Müller hofft nun, dass die Mitglieder der SPD in ihrem Votum zu würdigen wissen, was in dieser Einigung inhaltlich vereinbart wurde. Die SPD habe dabei sehr viel von dem erreicht, was ihr wichtig gewesen sei und auch bei der Ressortverteilung wichtige Ministerien für sich gewinnen können. Müller: "Die SPD-Mitglieder haben jetzt eine hohe Verantwortung. Sollte all das nicht für eine Zustimmung ausreichen, wüsste ich auch keinen Rat mehr."

 

Für ein Kabinett ohne Martin Schulz

Martina Stamm-Fibich, SPD-Bundestagsabgeordnete: "Der 177 Seiten umfassende Entwurf eines Koalitionsvertrages liegt mir selbst auch erst seit gestern 13 Uhr vor." Für eine abschließende Bewertung brauche sie "mehr Zeit". Außerdem handele es sich um einen vorläufigen Entwurf, der noch in einigen Parteigremien beraten werde. Die Möhrendorferin will sich nicht an den Personalspekulationen beteiligen, "aber mein Wunsch ist nach wie vor ein Kabinett ohne Martin Schulz".

Was ihr in dem Vertrag fehlt, "ist ein eindeutiges Bekenntnis zur Bürgerversicherung". Sie freue sich aber über die Wiederherstellung der Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung. Ab 1. Januar 2019 werden die Beiträge zur Krankenversicherung wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Beschäftigten bezahlt.

Und ein lang gehegter Wunsch von ihr habe es mit einem Prüfauftrag in den Entwurf geschafft: "Wir prüfen die Schaffung eines Patientenentschädigungsfonds für Schäden in Härtefällen, bei denen die bestehenden Haftungsregelungen nicht greifen. Ich hoffe sehr, dass wir den Entschädigungsfonds noch in dieser Legislatur einführen, da viele Patientinnen und Patienten davon profitieren könnten und sie endlich für das erfahrene Leid entschädigt werden."

 

Wolfgang Niclas, DGB-Kreisvorsitzender, hält aus Sicht der Arbeitnehmer die jetzigen Koalitionsvereinbarungen zwischen CDU/CSU und der SPD für deutlich besser, als das, was sich während der Jamaika-Verhandlungen abgezeichnet habe. Als Beispiel nennt er die Arbeitsmarktpolitik, innerhalb derer eine Milliarde Euro für zirka 150 000 Langzeitarbeitslose zur Verfügung gestellt werde. Dass nun Wert auf einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt gelegt werde, stellt für ihn einen großen Fortschritt dar.

Als SPD-Mitglied wird Niclas vermutlich den Koalitionsvertrag, dessen Wortlaut er noch nicht kennt, jedoch ablehnen. Bedenklich stimmt ihn, dass die Union auf den Zug der Rechtspopulisten aufspringe. Für sehr problematisch hält er, wenn im Bundestag selbst über Themen, die nicht in der Koalitionsvereinbarung stehen, nicht kontrovers diskutiert werden solle. Wolfgang Niclas: "Wir müssen der AfD unbedingt eine starke demokratische Diskussionskultur entgegensetzen."

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