Bier als Treibstoff für Neunkrichen

16.5.2016, 06:00 Uhr
Bier als Treibstoff für Neunkrichen

© Alle Fotos: Harald Hofmann

Die Bierproduktion in Neunkirchen hat etwa auch den Bau der Stadttore mitfinanziert. Die Neunkirchener Brauereigeschichte enthält spannendere Kapitel als den Lobgesang auf das bayerische Reinheitsgebot von 1516 oder aber Schwänke über fröhliche Zecher auf fränkischen Bierkellern. Ein gutes halbes Dutzend von Historikern und Heimatforschern hat sich zwischen 1814 und 2013 kapitelweise mit dem Neunkirchener Bier befasst. Der Gerstensaft diente als Treibstoff für die Ortsentwicklung.

Der Bamberger Historiker Horst Miekisch, der 2005 eine Dissertation über das Augustiner-Chorherrenstift verfasste und 2014 erweitert als Buch herausbrachte,  schildert die Einrichtung der Klosterbrauerei wie folgt: „Da die eigenen Weingärten nichts einbrachten und der Kauf der notwendigen Getränke zu teuer war, begann Propst Konrad (Deigel) auch mit dem Bierbrauen im Stift”. Zu diesem Zweck sei die alte Badstube des Klosters in ein Brauhaus umgewandelt worden.

 Das erste Biersieden fand am 3. November 1488 statt. Der Abt des benachbarten Klosters Weißenohe habe dafür seinen Braumeister ausgeliehen. Dies berichtete der Bamberger Historiker kürzlich auch mündlich in einem  Vortrag bei den Neunkirchener Kulturtagen.

Von November 1488 bis März 1489 seien 230 Eimer Bier im Stift gebraut worden, das nicht immer berauschend war, sondern teils sauer aufstieß. Einen Eimer Bier muss man, je nach Hohlmaßdefinition, mit 64,14 oder 68,42 Liter ansetzen, wobei die letztgenannte Ziffer (Getränkemaß „Visireimer“) realistischer erscheint. Von den somit höchstens 157 Hektolitern  Neunkirchener Klosterbräu, die in den ersten fünf Monaten gebraut wurden, geriet jedoch ein Teil „nicht gut oder es verdarb“. Kalte Winter ergaben 1489/90 mengenmäßig und qualitativ schlechte Getreide- und Hopfenernten. Die Rohstoffe zum Brauen mussten teuer eingekauft werden.

Bier als Treibstoff für Neunkrichen

 Die Chorherren, allesamt Priester und mit der seelsorgerischen Betreuung von Pfarreien beauftragt, setzten natürlich nicht selbst den Sud an. Nach der Premiere mit dem Lehrmeister aus Weißenohe stellten sie einen eigenen Brauer samt Gesellen ein.

 Nach Angaben des Chronisten Franz Wenceslaus Goldwitzer (1814) überdauerte die Klosterbrauerei die klerikale Einrichtung des Chorherrenstiftes.  Nach dem Tod des letzten Propstes Augustin Krispus Kraus (1555) wurden bis 1630 die Klosterhinterlassenschaften  von Administratoren verwaltet; der erste war Nikolaus von Egloffstein. 14 Personen – Priester, Schulmeister, Scholaren und Knechte – hätten den Betrieb fortgeführt. Für sie sei in der Klosterküche gekocht und „im Klosterbrauhause gebrauet“ worden; später habe man Letzteres noch verpachtet.

 Brauwasser floss vom Gugel

 Neben dem Klosterbräu gab es in Neunkirchen ab 1532 auch ein Kommunalbrauhaus am Inneren Markt (bis 1914), das zwischen dem heutigen Alten Rathaus und der Katharinenkapelle stand. Wahrscheinlich schon bald darauf, so berichtet Heimatforscher Wilhelm Held (1902-1984) in seiner Ortsgeschichte, kam noch ein Unteres Kommunalbrauhaus hinzu. In beiden konnten Wirte und Privatpersonen gegen eine Gebühr brauen. Die Gebäude sind von der Bildfläche verschwunden. Das untere Brauhaus an der Einmündung der Fröschau in den Äußeren Markt war bis 1927 in Betrieb. Das Brauwasser bezog es von Quellen auf dem Gugelhügel.

Armin Kohlmann und Friedrich Ritter gestalteten den Textteil einer umfangreichen Neunkirchener „Brauereigeschichte“, die 2013 der Heimat- und Trachtenverein herausbrachte. Sie gehen davon aus, dass schon Mitte des 14. Jahrhunderts und verstärkt Mitte des 15. Jahrhunderts in Neunkirchen außerhalb des Klosters gebraut wurde. Beim früheren Datum könnte man sich auf das Rechtsbuch des Bischofs Friedrich von Hohenlohe von 1348 stützen, das Neunkirchen schon damals als Markt mit besonderen Rechten bezeichnet. Das schloss in der Regel Sonderprivilegien wie das Bierbrauen ein.

Bier als Treibstoff für Neunkrichen

Für 1410, als König Ruprecht das Marktrecht mit Brief und Siegel an Neunkirchen verlieh, gilt die Gewährung der exklusiven Brauerlaubnis als gewiss, und zwar für ein größeres Gebiet. Neunkirchen war damals zentraler Marktflecken und Mittelpunkt einer „Hofmark“ (eines Verwaltungsbezirks)  mit 30 Dörfern und Weilern. Ob das eingeräumte private Braurecht aber sofort ausgeübt wurde, zieht Heimatforscher und Altbürgermeister Alfred Derfuß jedoch in Zweifel. Er hält in einer Abhandlung das Kloster für die erste Braustätte am Ort, und zwar ab 1488.

 Dass es mit dem Bierbrauen außerhalb der Klostermauern noch etwas zögerlich voranging, könnte man auch aus einer  Formulierung  herauslesen, die sich auf den Bau der Marktbefestigung bezieht. Die ordnete Fürstbischof Veit Truchsess von Pommersfelden 1501 an und räumte der Marktgemeinde das Recht ein, zur Mitfinanzierung des Projekts für die Dauer von zehn Jahren eine Getränkesteuer zu erheben: für Bier „so bey Ihnen zum Zapfen verschenkt oder sonst vertrieben und gebrauet würde”. Die Betonung lag also auf Vertrieb und nicht auf Eigenproduktion.

 Der Schutzwall mit Mauern, Graben, Toren, Basteien und Schwibbögen (Gebäude mit Wasserdurchlass für den Brandbach) nahmen laut Wilhelm Held etliche Jahre in Anspruch, die eingegliederten Großbauten  waren aber schon 1503 errichtet. Die Reichsstadt Nürnberg stellte 200 Erdarbeiter zur Verfügung,  die sicher durstig wurden.  Nach Einrichtung der beiden Kommunalbrauhäuser am Ort nahm die Eigenproduktion von Bier schlagartig zu.

Für das Jahr 1808 sind schließlich 100 Braurechte in Neunkirchen überliefert, davon 15 sogenannte „reale“, die intensiv  genutzt wurden, und zwar überwiegend von Brauern und Gastwirten. Deren Wirkungsstätte lag  vor allem im Umfeld der Michaelskirche und des Alten Rathauses am Inneren Markt und der Gräfenberger Straße, aber auch am Äußeren Markt und der Forchheimer Straße, wie Wilhelm Held detailliert mit Haus- und Familiengeschichten beschrieb.

 Auch die Krösusse der Branche, die Brauereien Hubmann, Polster, Vasold und Mehl stellten 1859/60 ihr Bier noch in einem Kommunalbrauhaus her, wie die schon erwähnten Bierhistoriker Kohlmann und Ritter belegen.  Erst ab 1873 gingen die Großen eigene  Wege: Ab diesem Jahr braute Hubmann auf dem Gelände der späteren Raiffeisenbank am Inneren Markt und lagerte sein Bier in noch erhaltenen Kellern, die parallel zur Kirche und bis zur Katharinenkapelle verlaufen.

 Vasold, seit 1710 gegenüber beheimatet und ab 1920 familiär und wirtschaftlich mit der Brauerei Schmitt verbunden, ließ sich 1886 am Schellenberger Weg nieder.  Dort wirken die Nachfahren heute noch als letzter Mohikaner der Neunkirchener Brauereien.

 Die älteste Brauerei, die Georg Polster KG., deren Vorläufer seit 1532 innerhalb der Stadtmauern ihre Bleibe hatte und die 1926 außerhalb des Forchheimer Tors ein Sudhaus errichtete, musste 2005 die Segel streichen.

 Bierkeller als Rüstungsbetrieb

 Die Polsters hatten schon über 300 Jahre zuvor Anteil an den Felsenkellern im Nachbardorf Kleinsendelbach, welches die Neunkirchener  Brauer laut einem Zinsbuch des Klosterverwalters ab etwa 1680 anlegten. Dort wurde im Winter eingebrautes Bier für den Sommer eingelagert.  Die Kapazität der Keller aus der späten Klosterzeit auf dem Gugel reichte dafür längst nicht aus.

 Die Keller in Kleinsendelbach führten zu einer von zwei unerfreulichen Nebenerscheinungen, die im Zusammenhang mit der Neunkirchener  Brauereigeschichte stehen: In den letzten beiden Kriegsjahren wurden zwei der Keller  zu einer Halle von zirka 100 Meter Länge und 30 Meter Breite vergrößert. Fremdarbeiter produzierten dort Bordfunkgeräte für Militärflugzeuge. Bei einer Ortsbegehung vor einigen Jahren teilte Altbürgermeister Alfred Schramm mit, dass nach dem Einmarsch der Amerikaner ein Toter, wahrscheinlich ein NS-Aufseher, entdeckt worden sei. Er steckte kopfüber in einem Schacht.

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