Bildung als Weg aus dem Teufelskreis der Armut

23.4.2012, 00:00 Uhr
Bildung als Weg aus dem Teufelskreis der Armut

© Bernd Böhner

Am Anfang steht eine Vision, die nach und nach realisiert werden soll. Und zwar mit vereinten Kräften und viel Engagement. Dieserart soll es gelingen, Menschen, Familien und Kinder soweit wie irgend möglich zu befähigen, Armut zu überwinden – materielle Armut genauso wie Bildungsarmut und emotionale Armut. Zu diesem Behuf brachte der Kongress Vertreter aus ganz verschiedenen Organisationen, Initiativen, Unternehmen und Gesellschaft zusammen, um persönliche Kontakte zu fördern und um gemeinsam zu dem bislang Geleisteten noch „mehr Gutes“ hinzuzufügen.

Begleitet von der anregend-amüsanten Moderation von Carmen Thomas, der profilierten TV-Frau, sprach Bürgermeisterin und Sozialreferentin Elisabeth Preuß gleichsam zum Kongressauftakt über die „Kinderarmut in Erlangen“. Dabei brach sie unter anderem ein Lanze für jene Eltern und Familien, die sich keinen bequemen Platz in der „sozialen Hängematte“ gesucht haben, sondern vielmehr nach Hilfe und Auswegen suchen, wobei ihre Mühen zuweilen ins Leere laufen und sie sich am Ende wie Sisyphus vorkommen müssen. Obschon Erlangen eine „reiche“ Stadt ist, lebt hier jedes zehnte Kind in Armut. Es kommt vor, dass Kinder im Winter in Sandalen zur Schule gehen müssen, dass ihnen das nötige Geld für schulische Mittel fehlt, dass sie keine ausgewogene Ernährung haben. 2000 arme Kinder sind derzeit faktisch bekannt. Dazu kommen noch jene aus Fami

lien, die über der sogenannten Bemessungsgrenze liegen und nicht zuletzt die Kinder, die emotional vernachlässigt und verarmt sind. Und die sind durchaus auch in begüterten Familien und in jedem Stadtteil zu finden. „Jedes arme Kind ist eines zuviel“, so Preuß. Bildung ist für sie der „Weg aus dem Teufelskreis der Armut“. Deshalb müssen Voraussetzungen geschaffen werden, damit jene Kinder aus diesem Teufelskreis ausbrechen können.

Kritisch und mit deutlicher Skepsis, die sich aus der täglichen Arbeit speist, machte Sozialamtsleiter Otto Vierheilig den Kongressteilnehmern deutlich, „Was geht?“. Er zeigte ihnen „Möglichkeiten und Grenzen kommunalen Handels“ auf. Und die sind mitunter recht eng gesteckt. „Das Sozialamt muss eigentlich schnell die Waffen strecken, um Nachhaltigkeit bei Kinderarmut zu erreichen.“

In diesem Zusammenhang sparte Vierheilig nicht mit Kritik an jenem „Bildungs- und Teilhabepaket“, das von der Politik gefeiert wurde, ihm aber geradezu den Magen rumgedreht habe. Denn in der Praxis stellt sich diese „Lernförderung“ ganz anders dar, wie er an Zahlenbeispielen verdeutlichte. Tatsächlich waren rund 85 Prozent der Lernförderungsfälle nicht genehmigungsfähig. Von den übrigen 15 Prozent wagten nur wenige einen Antrag zu stellen, da sich die Eltern häufig überfordert fühlten, so Vierheilig. Unterm Strich eine „mehr als enttäuschende Bilanz“.

Eigener Weg

Neben dem angestammten Metier der klassischen Fürsorge, also der Gelderzahlung, um Existenzen zu sichern, gesellten sich 2011 die „vorbeugenden Maßnahmen gegen Kinderarmut“ als Aufgabenbereich des Sozialamtes.

Bei der Umsetzung stieß man jedoch rasch auf die „engherzigen Vorgaben des Gesetzgebers“, so Vierheilig. Grund für die Erlanger, ihren eigenen Weg zu gehen. „Wir sind bemüht, großzügigere Auslegungen zu finden.“ Denn die Hilfe muss letztlich nachhaltig und wirksam sein. Nachhaltige Hilfe für die Kinder und Eltern zu organisieren, damit die Armutsspi-rale aufgebrochen werden kann, ist Teil von Vierheiligs Credo.

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