Blühende Kulturlandschaft wuchs aus disparaten Teilen

14.8.2012, 00:00 Uhr
Blühende Kulturlandschaft wuchs aus disparaten Teilen

© Matthias Kronau

Fragt man jene, die sich Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre mit der Feuilleton-Berichterstattung im Landkreis auseinandersetzten, die also als Kultur-Journalisten zwischen Herzogenaurach und Pommersfel-den, Eckental und Erlangen unterwegs waren, so erntet man heute noch augenzwinkerndes Seufzen.

War der aus disparaten Segmenten wie eine missratene Collage künstlich geklittert wirkende Landkreis in Sachen Kunst und Musik doch über viele Jahre eine kulturelle Diaspora, in der nur relativ wenige „Leuchttürme“ die Hoffnung nährten, das Land der Dichter und Denker werde dereinst auch im Kreis der Karpfenteiche seinem Namen Ehre machen.

Dass der bis zur Gebietsreform stetig schwelende Konflikt zwischen den Landkreisen Höchstadt und Erlan-gen prosperierende Kulturaktivitäten gleichsam per se verbot, dass die „Mentalitätsgrenze“, die der Landkreis-Kenner Klaus Batz vor gut 15 Jahren auszumachen glaubte, in manchen Bereichen bis heute Gültigkeit hat und eben nie richtig zusammenwuchs, was historisch nicht zusammengehörte, hat die kulturelle Entwicklung zwar gebremst, aber nicht verhindern können.

Auf der Höchstadter Seite gab es Initiativen, die auch in der Gegenwart das Prädikat „bemerkenswert“ verdienen würden, wenn es sie denn noch gäbe. Etwa jene Hemhofener Schlosskonzerte, initiiert von Christian Greinacher, die zum Magneten für die ganze Umgebung wurden. Oder die „Galerie im Wohnzimmer“, die von dem Höchstadter Gymnasiallehrer Georg Hornung als Forum für die Vorstellung zeitgenössischer Kunst in der Region verstanden wurde. In die gleiche Kerbe hieb die Herzogenauracherin Barbara Jung-Reusch, die ebenfalls primär die Arbeiten junger „Bildender“ in ihrer Galerie am Marktplatz zeigte und damit den Stellenwert und die Verbreitung moderner Kunst entscheidend förderte.

Als in der Schlosskirche zu Weingartsgreuth wie ein Lichtstrahl an einem nebelverhangenen Tag ein Streichquartett auftauchte, um das ländliche Publikum mit hochkarätiger Klassik zu beglücken, riss dies den damaligen Kritiker der Nordbayerischen Nachrichten zu wahren Jubelstürmen hin: „So müsste Kultur auf dem Lande (immer) aussehen“, frohlockte der selbst musizierende Schreiber — und wurde von der alsbaldigen Wiederkehr des ereignisarmen Kultur-Einerleis umso härter getroffen.

Dass heute Kultur in ERH einen deutlich höheren Stellenwert als noch vor einem Jahrzehnt hat, ist einem Politiker zu verdanken, den der Journalist Klaus Batz zum „25-Jährigen“ des Landkreises mit gutmütigem Spott als „Eberhardus, den Minnesänger mit seinem Wanst aus rotem Tuche“ bezeichnete: Landrat Eberhard Irlinger. Der Schullehrer mit SPD-Parteibuch ist selbst ein begeisterter (Volks-)Musiker, der gemein-hin eher langweilige weil langwierige Ehrungen und Festakte durch eigene musikalische Beiträge aufzulockern versteht. Die einen nennen ihn einen begnadeten Selbstdarsteller, die anderen danken Irlinger im Stillen, wenn er das Steif-Formelle mit Gitarrenspiel und Hackbrettsoli, lustigen Gstanzln und Gedichten aufbricht und das Protokoll ein ums andere Mal höchst erfolgreich unterläuft.

Mit dem Selbermachen allein ließ es Irlinger freilich nie bewenden. 2007 rief er den Verein Kultur Erlangen-Höchstadt e.V. ins Leben, der „Träger, Organisatoren und Initiatoren“ fördert und so manches zarte Pflänzchen mit Zuschüssen päppelt, bis es aus eigener Kraft lebensfähig ist.

Gedeihliches Klima

In diesem Jahr werden bereits zum zweiten Mal ein Jugendförder- und ein Kulturpreis für bemerkenswerte Leistungen auf kulturellem Gebiet vergeben. Solche Aktivitäten fördern ein Klima, in denen manches gedeiht, das in der Großstadt mangels Interesse schnell sterben müsste. Zum Beispiel Peter Brills ambitionierte Modern-Jazz-Reihe im Kulturbahnhof Kalchreuth. Oder das erfolgreiche Theater Kuckucksheim, 1990 von Stefan Kügel in dem kleinen Dorf Heppstädt in der Gemeinde Adels-dorf gegründet. Oder die literarischen Aktivitäten des Schriftstellers Helmut Haberkamm, die für Pflege

und Erhalt der fränkischen Mundart immens wichtig sind.

Und weil dieser besondere Geist allerorten herrscht, weil in ERH die Kultur längst zum integralen Bestandteil des Lebens geworden ist, „verirren“ sich ab und an sogar ganz große Stars in den Landkreis. Die Sopranistin Emma Kirkby oder der Bariton Christian Gerhaher beispielsweise. Manche Ikonen sind sogar genuine „Kinder“ des Landkreises wie der bundesweit renommierte Jazzpianist Thomas Fink.

Menschen, die in diesem Landkreis trotz seiner Schwächen und seiner Janusköpfigkeit gerne auftreten, Künstler, die Mittelfranken auf die eine oder andere Weise treu bleiben. Ein Phänomen, das ganz ohne Frage für sich spricht. Weil es „hüben wie drüben“ auftritt. Und damit die Mentalitätsgrenze ebenso durchdringt wie die Mauern, die heute noch in manchen Köpfen etabliert scheinen.

 

Keine Kommentare