Büchenbach als Heim für die NSA

8.2.2018, 15:00 Uhr
Büchenbach als Heim für die NSA

© Harald Sippel

"Zeitungsleser wissen mehr", dachte sich wohl auch der 71-Jährige, der wegen Betrugs in vier Fällen und versuchten Betrugs in sechs Fällen die Anklagebank drückt. Insgesamt zehn Abonnements hatte der Rentner zwischen Dezember 2015 und September 2016 abgeschlossen, dabei die abenteuerlichsten Pseudonyme verwendet. Von der Gräfin über den Kryptomathematiker bis hin zum Dechiffrierer bei der NSA war alles dabei, so dass sich selbst Richter Wolfgang Pelzl bei der Verlesung der Anklageschrift ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte.

Sorgte das für Amüsement im Gerichtssaal? Mit Sicherheit. Die Schulklasse, die der Verhandlung beiwohnte, bekam ein regelrechtes Justiz-Schauspiel zu sehen; Pelzl gestand zu, dass die Verhandlung RTL-ähnlich verlaufe. Zeigte sich der Angeklagte zumindest minimal einsichtig? Nicht im Geringsten.

Der Pensionär pochte sogar dann noch auf seine Unschuld, als der Vorsitzende auf die Skurrilität hinwies, die die "Tatsache" in sich birgt, dass Aristokraten, Akademiker und US-Geheimdienstler offenbar im Wechsel eine Büchenbacher Wohnung beziehen. Zufällig jene Wohnung, in der auch der Beschuldigte gemeldet ist. Und dann weisen sämtliche Namen auch noch einen gemeinsamen Bestandteil auf: In jedem Pseudonym kommt der Nachname des Angeklagten vor. Der Erklärung, seine Verwandtschaft sei über die ganze Welt verteilt, entgegnet Pelzl mit einem Angebot: "Sie können nun sagen, dass sie diese Zeitung lieben, und sich entschuldigen." Andernfalls liefe die Ermittlungsmaschinerie wieder an.

Das schien den Rentner auch nicht zu stören. Die Androhung einer Haftstrafe ebenfalls nicht. Denn er saß bereits mehrfach wegen Betrugs hinter Gittern, habe sich dort "vorbildlich" verhalten und sei stets "gut versorgt" gewesen. Erst als Pelzl ihm erklärt, dass sich die Haftbedingungen mittlerweile geändert hätten, und eine Hausdurchsuchung anordnet, um die Beweismittel sicherzustellen, bricht der Widerstand.

Auf Bewährung

Offenbar ist der Pensionär dann doch nicht mehr so scharf auf eine Rundumversorgung durch den Staat. Er räumt die Taten vollumfänglich ein und versichert, sich die Zeitung in Zukunft zu kaufen. Die Möglichkeit dazu wird er auch haben, seine einjährige Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Zudem wird neben der Geldstrafe in Höhe von 1000 Euro an die Staatskasse die Schadenersatzzahlung der Abonnements an das Verlagshaus fällig. Konkret heißt das: 477,76 Euro für die bestellten Zeitungen.

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