Der starke, kleine Mann bei den Ringern in Erlangen

3.10.2018, 18:00 Uhr
Die Kleinsten auf der Matte: Steffen Schmidt (rechts) holte gegen den Unterdürrbacher Basiri Asef in der Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm einen Sieg.

© Giulia Iannicelli Die Kleinsten auf der Matte: Steffen Schmidt (rechts) holte gegen den Unterdürrbacher Basiri Asef in der Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm einen Sieg.

Im echten Leben hat es fast nur Nachteile, klein zu sein. Vor allem als Mann. Wenn Steffen Schmidt Schuhe kaufen will, muss er lange suchen. Viele Geschäfte bieten nur Herrenschuhe ab Große 40 an, Schmidt aber braucht eine Nummer kleiner — und muss dann eben länger suchen, wenn es nicht gerade doch die pinkfarbenen Damen-Sneaker sein sollen. "Es kann aber auch Vorteile haben", sagt der 28-Jährige. Als er sich einmal zu Hause ausgesperrt hat, kletterte er durchs Fenster in die Wohnung. "Ich war der einzige, der durch gepasst hat."

Ein echter Vorteil aber sind seine 1,63 Meter Körpergröße: beim Ringen. Für den TV 48 Erlangen tritt Schmidt in der niedrigsten Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm in der Bayernliga an. Das ist fast sein Normalgewicht, während der Saison muss Schmidt lediglich zwei Kilogramm abnehmen. "Das ist schon nervig", meint Schmidt, aber es geht. "Ich habe vorausschauend mein Gewicht reduziert, achte auf meine Ernährung." Und das alles für ein ambitioniertes Hobby — Ringen in Erlangen ist schließlich kein Profisport.

"Ich finde es aber auch nicht schlecht, ein wenig auf das eigene Gewicht zu schauen." Wenn die Teamkollegen, teilweise im Vergleich richtige Hünen mit mehr als 100 Kilogramm Körpergewicht, dann nach einem Wettkampf ordentlich reinhauen, muss das Leichtgewicht aber nicht zusehen: "Am Samstag habe auch ich drei Schnitzel verdrückt." Da hatten die Erlanger gerade mit 12:20 ihren zweiten Saison-Kampf verloren.

Gegen den TV Unterdürrbach holten nur Khaled Delawari, Johannes Hölzel und eben Steffen Schmidt ihre Punkte. "Da freut man sich schon", sagt Schmidt, "ich habe eine glückliche Situation erwischt und meinen Gegner geschultert". Als er von der Matte kam, gab es sofort High-Fives von den Teamkollegen. Doch am Ende konnten nur die Gegner jubeln, wie schon am Wochenende zuvor.

Da hatten die Erlanger beim SC 04 Nürnberg mit 0:37 verloren. "Den ersten Kampf habe ich dort versemmelt", sagt Schmidt selbstkritisch, "ich hätte meinen Gegner auch besiegen können". Doch er unterlag, ebenso wie sein gesamtes Team. "In Nürnberg haben sie auch bessere Voraussetzungen, und wir waren nicht top aufgestellt."

Insgesamt hat der Turnverein den Saisonstart damit verpatzt. Und das in einer zumindest dem Namen nach neuen Liga. In der Vorsaison hat es für die Erlanger zum Klassenverbleib in der Landesliga gereicht, nach einer Ligen-Reform aber treten sie nun in der Bayernliga an. Das ist die dritthöchste Klasse in Deutschland. "Unterm Strich sind die Gegner gleich geblieben", sagt Johannes Hölzel, selbst Ringer, aber auch Trainer und Abteilungsleiter.

Der TSV Zirndorf und der RSC Rehau haben ihre Teams zurückgezogen. Deshalb besteht die Bayernliga Nord diesmal nur aus sechs Mannschaften. Das Ziel, der Klassenverbleib, wird dadurch nicht leichter. Neu ist die WKG Bindlach/Bayreuth, die ihre Mannschaft aus der Bundesliga zurückgezogen hat, "weil sie sich die Profis nicht mehr leisten konnten". Dass es überhaupt zu einer Reform kam, hängt mit den Profis zusammen. Die zweite Liga wurde aufgelöst und eine dreiteilige erste Liga geschaffen. So gibt es nun mehr Bundesliga-Teams. "Aus unserer Sicht ist das Schmarrn", sagt Hölzel. Doch ändern können es die Erlanger nicht.

"Wir wollen nun nicht absteigen", sagt Steffen Schmidt. "Und wir probieren natürlich immer, die Kämpfe zu gewinnen." Doch auch er weiß: "Gewinnen und Verlieren gehört eben dazu." Vor drei Jahren hat der Erlanger wieder angefangen zu ringen — nach einer langen Pause. "Ich habe das früher in der Jugend schon gemacht, im Alter zwischen zehn und 14." Damals trat Schmidt noch für seinen Heimatverein aus Burgebrach an. Berufsbedingt hatte er damals aufgehört, zwischenzeitlich ein paar andere Sportarten ausprobiert.

"Ich war dann viel im Fitnessstudio, doch manchmal musste man sich dazu schon zwingen." Jetzt, beim Ringen, gibt es eine Mannschaft, Kameradschaft, "ich muss nicht mehr alleine trainieren". Seit fünfeinhalb Jahren wohnt Schmidt in Erlangen, arbeitet als Krankenpfleger im Uniklinikum. Vor drei Jahren schloss er sich dem Turnverein ein. "Am Anfang war es schwierig nach der langen Pause", sagt er, "Kraft und Ausdauer haben mir gefehlt." Die Technik hingegen verlerne man nicht, "das ist wie Fahrradfahren".

Mittlerweile ist Steffen Schmidt wieder richtig fit. "Beim Ringen braucht man den kompletten Körper, alles wird trainiert." Gibt er im Training Vollgas, lässt sich Muskelkater am Folgetag nicht vermeiden. Nach einem Wettkampf ist man ebenfalls richtig platt. Dann darf auch der 57-Kilogramm-Mann ein Schnitzel mehr verdrücken.

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