Dichterfürst und Idylle in Erlangen

22.5.2017, 18:00 Uhr
Dichterfürst und Idylle in Erlangen

© Fotos: Sippel

Aus berufenem Mund – der Erlanger Hochschullehrer für Neuere deutsche Literaturgeschichte, Prof. Gunnar Och, hat zu August Graf von Platen gemeinsam mit dem Orientalisten Hartmut Bobzin ein Standardwerk herausgegeben – erfuhr ein handverlesenes Publikum im lauschigen Garten vor dem Platenhäuschen noch einmal die wesentlichen Lebensdaten bis zu dessen etwas mysteriösen Tod im sizilianischen Syrakus, wo er auch – mangels evangelischer Friedhöfe – im Garten einer privaten Villa begraben liegt. Einer Initiative eines deutschen Literaturfreunde-Kreises ist die Pflege der Grabstätte zu verdanken, so Och.

Die "Erlanger Jahre" des gebürtigen Ansbachers Platen erwiesen sich – so durfte man erfahren – für sein dichterisches Wirken als prägend, war er doch ein Verehrer des Philosophen und Hochschullehrers Friedrich Wilhelm Schelling, der von 1820 bis 1826 in Erlangen wirkte und Platen ebenso beeinflusste wie dessen berühmte Dichter-Kollegen Jean Paul oder Friedrich Rückert.

Johann Wolfgang von Goethes Verehrung des persischen Dichters Hafis inspirierten auch August von Platen, sich mit einer eigenen Gedichtform (dem Gasehl) dem Orient zuzuwenden – diesem näherte er sich aber nur als Reise nach Venedig. Literarisch schlug sich dies in den venezianischen Sonetten nieder, die – ebenso wie seine klandestine Homosexualität – später Thomas Mann zu seinem Roman "Tod in Venedig" anregte. Gerade diese damals als skandalös empfundene Neigung – Och: "In der Prüderie dieser Zeit litt Platen an sich" – habe bei dem Dichter zu einer "Poesie des bekennenden Schweigens geführt", das "Outing" durch den freimütigen Heinrich Heine (den Platen vorher als "Juden" denunziert hatte) verletzte ihn tief. Sein Tod, ausgelöst offenbar durch eine Überdosis von Medikamenten gegen die in Sizilien grassierende Cholera, erscheint da fast als letzte Konsequenz.

Bezeichnend für Platens verdruckste Rezeption bei den deutschen realistischen Literaten wie Theodor Fontane, Paul Heyse oder Wilhelm Raabe ist laut Gunnar Och die Vielzahl an Textstellen, die von Platen entlehnt worden seien, nie aber ausgewiesen. Öffentliche Verehrung habe er – erst viel später – durch die "Ansbacher Rede" Thomas Manns erhalten.

Da nichts näher heranführt an die Poesie, als diese selbst erklingen zu lassen, hatte Och etliche Gedichte Platens ausgesucht, die von der Erlanger Schauspielerin Lea Schmocker einfühlsam vorgetragen wurden. Seine von ihm selbst verfasste Grabinschrift bewegt bis heute, sein "Tristan"-Gedicht gehört zum Kanon der Literatur des 19. Jahrhunderts.

Festen Boden mussten die Besucher anschließend suchen, als sie sich über eine nur noch auf eigene Gefahr begehbare Treppe in die überarbeitete Ausstellung im Platenhäuschen vortasteten. Erlangens Stadtarchivar Andreas Jakob, unter dessen Fittichen das Platenhäuschen längere Öffnungszyklen und eine Neugestaltung des Umfelds anstrebt, will das schmucke Literatur-Denkmal wieder in den großen Zusammenhang der einstigen bürgerlichen Burgberg-Idylle stellen – als Teil eines "geistigen Wanderwegs", wie er sagt.

Platenhäuschen, Burgbergstr. 92, geöffnet jeden 1. Sonntag in den Monaten Mai bis Oktober von 11 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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