Digitalisierung: Egal wie besoffen, mit Chip wird bezahlt

11.1.2018, 13:00 Uhr
Der Computer als Werkzeug: "Digitalisierung verändert bereits heute unser Leben", weiß Professor Erich R. Reinhardt.

© Arne Dedert (dpa) Der Computer als Werkzeug: "Digitalisierung verändert bereits heute unser Leben", weiß Professor Erich R. Reinhardt.

"Alles eHealth, oder was?", fragte Martin Sedlmayr, Akademischen Rat am Lehrstuhl für Medizinische Informatik an der Friedrich-Alexander-Universität, und dann baute er Luftschlösser aus Ideen, die durch die Digitalisierung problemlos möglich scheinen. Ein Gerät, das mit einem Speicheltest Krankheiten erkennt, die Medikation vorgibt und so den Arzt ersetzt beispielsweise scheint ebenso möglich wie Telemedizin durch Kommunikation über das Smartphone zwischen Patient, Hausarzt und Klinik.

Das macht den Arztbesuch überflüssig. Auch Roboter, die durch die Gefäße fließen und sie von Ablagerungen säubern kann sich Sedlmayr vorstellen, eine Toilette, die den Urin analysiert und das Ergebnis übermittelt, ebenfalls. Sogar die Einnahme von Medikamenten könnte man überwachen, wenn in die Tablette einen Funkchip eingebaut wird, der meldet: Magensäure erkannt. Nicht so erfolgreich sei der ID-Chip gewesen, der vor allem in Nachtclubs unter die Haut gepflanzt wurde. Sedlmayr scherzhaft: "Egal wie besoffen ich bin, zahlen kann ich damit immer noch".

Digitalisierung in der Medizin müsse etwas sein, was im Alltag bei den Patienten auch ankomme. Was heute nur Komfort sei, müsse morgen Unterstützung für ein besseres Leben sein. Wie beispielsweise Müdigkeitserkennung, die es bereits in einigen Autos gibt. Diese Technologie könne man auch in der Medizin nutzen, um Parkinson oder Alzheimer rechtzeitig zu erkennen. Außerdem müsse man schneller erkennen, was in der Medizin zu verbessern sei.

"Dafür brauchen wir den Computer als Werkzeug". Dass Patienten sehr wohl mit der Digitalisierung etwas anfangen können belege die Tatsache, dass viele bereits vor einem Arztbesuch im Internet die Symptome recherchieren. Wenn viele Menschen in einer Region denselben Suchbegriff eingeben könne man beispielsweise sogar eine Grippewelle vorhersagen und Vorkehrungen treffen.

Gesundheitsakte für Bürger

"Digitalisierung verändert bereits heute unser Leben", weiß Professor Erich R. Reinhardt, Geschäftsführender Vorstandsvorsitzender des Medical Valley in der Europäischen Metropolregion Nürnberg. Dafür müsse man nur die Smartphone-Technologie verstehen. Zudem werde die Bereitschaft der Menschen, in die Gesundheit zu investieren, immer größer. Schon heute werde der Arzt durch die künstliche Intelligenz unterstützt. Krankheiten werden früher erkannt, wir leben länger gesund, es gibt Trainingsprogramme für Demenzkranke, Telemonitoring der Vitaldaten, Notrufassistent-Systeme mit Ortung. Reinhardt erzählt sogar von der Möglichkeit zu erfassen, ob jemand morgens aufgestanden ist, sich bewegt, läuft, und von intelligenten Fußböden für eine Sturzerkennng. 40 Milliarden Euro Einsparung an Gesundheitskosten sei durch die Digitalisierung möglich, sagt er.

Wie Martin Sedlmayr weiß auch Prof. Reinhardt, dass man Daten beispielsweise aus einem selbstfahrenden Auto für präventive Gesundheitsmaßnahmen nutzen kann. "Healthcare meets automotive" ist hier das Schlagwort. Reinhardt fordert auch die Einführung einer bürgerorientierten Gesundheitsakte. Damit sei es einfacher möglich, sich eine Zweitmeinung von einem anderen Arzt einzuholen. Ein Vorteil für den Patienten ist das.

Digitalisierung: Egal wie besoffen, mit Chip wird bezahlt

© Klaus-Dieter Schreiter

"Gesundheit bleibt der größte Wirtschaftsfaktor" ist sich Prof. Reinhardt sicher. Heute fließe bereits 11,3 Prozent des Bruttoinlandprodukts in Gesundheit. Das globale Marktvolumen betrug laut Reinhardt im Jahre 2013 schon 60 Milliarden Dollar. 2020, meint er, würden es sogar 233 Milliarden Dollar sein.

Die Erlanger Soroptimisten um ihre derzeitige Präsidentin Christine Faigle hatten ein wahrlich glückliches Händchen bewiesen bei der Wahl des Themas und der Referenten. Denn so viel neue Information gibt es selten so kompetent und so geballt. Die Kurzvorträge kamen bei den rund 100 Zuhörern in dem proppenvollen Raum des Bayerischen Hofs entsprechend gut an. Leidenschaftlich diskutiert wurde ebenfalls.

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