Eckentaler denkt an Zeit auf Gorch Fock zurück

3.1.2019, 06:00 Uhr
Eckentaler denkt an Zeit auf Gorch Fock zurück

© Ursula Schmidgruber

Auch wenn der Dienst nicht selten an die Substanz ging, erinnert er sich gern an die Zeit auf und unter Deck: "Gerade die harte Arbeit und die Enge an Bord schweißen zusammen." Mit vielen Kameraden hat er nach wie vor noch Kontakt. Die Treffen finden selbstverständlich an der Ost- oder Nordsee statt.

Vor 60 Jahren wurde die Gorch Fock nach dem Stapellauf in die Flotte integriert. Nur drei Jahre später, bei ihrer sechsten Reise, klappte Schmidgruber unter Deck Tisch und Stuhl zusammen, hängte diese an die Decke und spannte erstmals seine Hängematte auf. Nur durch die Spinde getrennt, mussten sich 60 Mann den Raum teilen. "Natürlich gab es da mal ein heftiges Wortgefecht, aber nie eine Schlägerei", erzählt der inzwischen 78-Jährige. Alkohol war streng verboten. Wer einen Geheimvorrat an Bord geschmuggelt hatte, bekam großen Ärger.

Mit Süßwasser musste auf See sehr sparsam umgegangen werden. Die Morgenwäsche erfolgte auf Deck mit einem Blechnapf voller Wasser — bei jedem Wetter.

Nach vier Wochen Trockentraining in Kiel stach die Mannschaft am 2. Mai 1961 in See. Die Route führte an Dänemark vorbei durch Kattegat und Skagerrak nach Norden zum Atlantik. Wie die Gorch Fock mit vollen Segeln Richtung Island durch die Norwegensee pflügte: Die Aussicht auf solche Erlebnisse, waren der Grund gewesen, warum sich der gebürtige Heroldsberger und heutige Eckentaler für vier Jahre Wehrdienst bei der Marine gemeldet hatte.

Wenig später zeigte der Ozean freilich sein anderes Gesicht. Ein Sturm zog auf, hohe Wellen krachten gegen den Bug. Bei peitschendem Regen mussten die Segelfläche rasch reduziert und die Befehle für die Manöver umgesetzt werden.

Von Reykjavik ging es über die Irische See zur früheren Korsarenstadt Saint Malo in Frankreich. Die Gorch Fock passierte dabei die Stelle, an der 1941 das Schlachtschiff "Bismarck" unter bis heute kontrovers diskutierten Umständen unterging und 2104 Besatzungsmitglieder starben. Zum Gedenken wurde dort ein Trauerkranz dem Meer übergeben.

In Saint Malo nahm der Kommandant der Gorch Fock, Wolfgang Erhardt, an einem Treffen von Kap Hoorniers teil. Dies sind Kapitäne, die sich noch mit einem Segler um Kap Hoorn, eine der gefährlichsten Schiffspassagen der Welt, gekämpft hatten. Wie auf Island durfte sich die Besatzung in Saint Malo fünf Tage lang von dem Dienst erholen. Ausflüge wie zum Mont Saint Michel mit seiner berühmten Benediktiner-Abtei und den dicht aneinander gebauten Häusern auf der kleinen Insel waren der Ausgleich dafür, dass auf See oft Tag und Nacht bis zur Erschöpfung geschuftet werden musste.

Durch den Ärmelkanal und die Nordsee ging es schließlich nach 53 Tagen und 4678 Seemeilen bzw. 8600 Kilometern zurück zum Hafen in Kiel. Für eine besondere Leistung wurde sogar einmal eine Ausnahme vom Alkoholverbot gemacht: Nach 200 gesegelten Seemeilen in 24 Stunden erhielt jeder ein Glas Rum.

Bei Manövern war Hermann Schmidgruber für die sogenannte Obermars, ein Segel am Großmast, zuständig. Trainiert wurde bei den Übungen aber nicht nur das Setzen, Ausrichten und Einholen der Segel. Vielmehr gehörten auch Notfälle wie der Ausbruch eines Feuers oder "Mann über Bord" hinzu.

Bei starkem Wind muss die Gorch Fock mit drei Steuerrädern gelenkt werden, was ebenfalls gelernt sein will. Einmal hievte die Besatzung sogar wie früher den Anker: Statt einer Motorwinde wurden kreisförmig Balken angebracht, um die Kette mühsam emporzuziehen und aufzuwickeln — ein Seemann gab auf dem Akkordeon der Truppe den Rhythmus vor.

Als begeisterter Sportler, der beim Tuspo in Heroldsberg Handball und bis vor einem Jahr bei der ersten Mannschaft des TSV Brand Tischtennis spielte sowie heute noch lange Radtouren unternimmt, steckte Schmidgruber solch schweißtreibenden Einheiten gut weg, auch wenn er sich danach schon sehr auf seine Hängematte freute.

In die Schlagzeilen geriet die Gorch Fock, als eine 25-jährige Offiziersanwärterin 2010 bei einem Sturz aus der Takelage ums Leben kam. Der damalige Kommandant wurde vorläufig von seinen Aufgaben entbunden, später von einer Untersuchungskommission jedoch von Schuld freigesprochen.

Schikane sei während seiner Ausbildung nie vorgekommen, betont Hermann Schmidgruber: "Wer nicht in die Masten wollte, musste nicht. Die Leute unten auf dem Deck sind schließlich genauso wichtig, damit alles funktioniert."

2001 besuchte der Eckentaler nach 40 Jahren erneut die Gorch Fock, an der seit seiner Dienstzeit zahlreiche Modernisierungen vorgenommen wurden. So hat sich vieles bei der Ausstattung deutlich verbessert. Vor allem gibt es durch eine Aufbereitungsanlage inzwischen genügend Süßwasser. Spülmaschinen erleichtern zudem die Küchenarbeit.

Das Schiff wird derzeit renoviert, wobei die Kosten nach Angaben der Werft von ursprünglich angesetzten zehn auf 135 Millionen Euro steigen könnten. Über die hohen Ausgaben hat sich auch der Eckentaler gewundert. Ein Neubau wäre seiner Ansicht sinnvoller.

Die Erfahrung des Segelns möchte er allerdings nicht missen: "Welche Kraft das Meer und der Wind entfalten können, lässt sich auf einem Boot, das von einem Motor angetrieben wird, nicht annähernd so intensiv erleben." SCOTT JOHNSTON

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