Ein Erlanger mit Fingerboard-Vergangenheit

14.1.2017, 06:00 Uhr
Ein Erlanger mit Fingerboard-Vergangenheit

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Wenn man alte Fotos ansieht, kann man es spüren. „Guck mal“, sagt dann irgendwer, „was du da für Klamotten trägst.“ Eine Mischung aus Scham und Neugier packt einen. Man sieht sich mit Koteletten oder Dauerwelle, im Hintergrund stehen alte Autos, kantig sind die und „oldschool“, so wie man selbst – dann rollt die Wehmut heran wie eine riesige Welle.

Erinnerungsfetzen fliegen durch den Kopf wie Gischt in der Brandung: die Musik von damals, der Partner von damals, die Wohnung von damals. Die Haare waren entweder irre lang oder irre kurz, und wenn man die Schallplatten auflegt und die Augen schließt, kann man sie vielleicht noch einmal sehen, die Schönheit aus der 10b, wie sie mit ihrer besten Freundin zu Roxette, zu Uriah Heep, zu den Stones oder zu Nena tanzte. Man sah damals schon nur zu, zum einen, weil man sich nicht traute mitzutanzen, zum anderen, weil es diesen Moment des stillen Staunens zerstört hätte.

Felix Krückel hat etwas anderes, das ihn an früher erinnert. Es ist 90 mal 90 Zentimeter groß und steht bei seinen Eltern im Keller. Seine Mutter will es jetzt, wo ihr Sohn in Flensburg Medieninformatik studiert, loswerden, deshalb wird es am Ende dieses Artikels einen Aufruf geben, dieses 90 mal 90 Zentimeter große Stück Erinnerung zu retten. Aber bis es soweit ist, möchte Felix Krückel erzählen. Von früher. Vom Christian-Ernst-Gymnasium, wo es bestimmt wieder eine 10 b gibt und mit ihr eine neue Schönheit. Aber Felix Krückels Geschichte geht anders, sie handelt von Fingerboards, mit denen sie alle auf den Tischen herumgefahren sind.

Dort, wo bei einem echten Skateboard die Füße stehen, drückt man Zeige- und Mittelfinger auf das Mini-Skateboard. „Es ist Übungssache“, sagt Felix Krückel und vermutet, das war der Grund, weshalb dieser Trend nicht überlebte: Fingerboarden war zu schwer. Gut, einen Olli – das Board nur mit Kraft und Technik der Finger von der Tischoberfläche in die Luft befördern –, das konnte er noch.

Aber so gut wie sein Kumpel, der das Board in der Luft drehte, rotieren ließ und auf eine Rail setzte, um diese herabzugleiten, so gut war Felix Krückel nie. Trotzdem hatte jeder so ein Fingerboard, damals, auf dem Christian-Ernst-Gymnasium. „Ob es eine Fingerboard-Szene in Erlangen gab, das weiß ich nicht. Aber wir hatten eine auf der Schule.“

Pappe und Kleiderbügel

Mit seinem Nachbarn hat er einen Skate-Park gebaut. Schuhkartons haben sie zerschnitten, sie gefaltet und auf eine Platte geklebt, 90 mal 90 Zentimeter groß, einen Kleiderbügel gebogen und als Rail benutzt. Nach der Schule sind dann alle mit zu Felix Krückel, seine Mutter hat vielleicht Würstchen gekocht, so genau weiß er das nicht mehr, sie hörten die Musik von damals, schossen Fotos, auf denen sie die Klamotten von damals tragen, und ließen die Fingerboards über den Papp-Skatepark fahren. „Ja, es war eine schöne Zeit“, sagt Felix Krückel, schöner als die, in der er mit den Füßen auf einem echten Skateboard stand und sich einen Schneidezahn ausschlug.

„Wir haben uns neue Tricks auf Youtube angesehen und sie nachgemacht. Wir haben die Achsen dieser kleinen Boards weicher gestellt und wieder härter gezogen. Es war der Trend dieser Zeit.“ Der vorüber ging.

Sein Fingerboard, das hat er nie weggeworfen, auch den Skatepark gibt es noch. „Wenn ich jetzt darüber spreche, hätte ich Lust, mit den Kumpels noch ein letztes Mal über den Park zu fahren“, sagt Felix Krückel.

Dann muss er ihn wegräumen, so hat er das seiner Mutter versprochen. Wegwerfen, findet er, dafür ist er doch zu schade – deshalb möchte er ihn verschenken. An andere Fingerboarder, die es ausprobieren möchten, oder einfach ein bisschen Nostalgie erleben. Man kann dazu die Musik von damals auflegen und die Mutter bitten, vielleicht ein paar Würstel warm zu machen.

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