Ein Stückchen Stoff als vielfältiges Kunstwerk

13.1.2019, 15:00 Uhr
Ein Stückchen Stoff als vielfältiges Kunstwerk

© Fotos: Harald Sippel

Der im japanischen Nara geborene Fotograf und Journalist, der seit 2002 in Erlangen lebt, ist qua Herkunft mit keinem (Vor-)Urteil über das Kopftuch nach Deutschland gekommen. Die hierzulande zeitweise hitzig geführte gesellschaftliche Debatte über das Stückchen Stoff hat ihn dann aber letztlich bewogen, sich mit der Kamera einmal unbefangen dem Thema zu nähern. Das Ergebnis seiner Arbeit ist jetzt auf Einladung der Volkshochschule Erlangen im VHS-Bistro in der Friedrichstraße 17 zu sehen: 29 Porträts von Menschen zwischen Kyoto und Erlangen, die ein Gemeinsames verbindet – sie tragen ein Kopftuch, das Takamatsu in seinen "entfärbten" Schwarzweiß–Bildern als einziges Merkmal farbig hervorhebt.

Takamatsu zeigt: Das vielseitig verwendbare Kopftuch gehört selbstverständlich zu Deutschland, so oder so. Das kleine Stück Stoff verhüllt (vor Blicken ebenso wie nach nachlässiger Morgentoilette), schützt vor Wind und Wetter, saugt den Schweiß beim Sport auf, ist für die Küchenhygiene unerlässlich und lässt fahrende Handelsleute vor Piraten erschrecken.

Dass das Kopftuch spätestens seit dem Anschlag auf das New Yorker World Trade Center im September 2001 als provozierendes Merkmal eines aggressiven Islamismus steht, als Unterdrückung der muslimischen Frau und somit als eine (vermeintliche) Bedrohung westlicher Werte wie Demokratie und Gleichberechtigung der Geschlechter gilt – für Takamatsu eine völlig überzogene Interpretation.

Gegen eine solche Vereinnahmung des Kopftuchs und damit verbundene Vorurteile wehrt er sich denn auch: "Zu einer christlich geprägten, demokratischen Gesellschaft wie der deutschen gehört das Recht auf freie Religionsausübung. Warum also die zuweilen fast allergische Reaktion auf Musliminnen, die sich derart kleiden?"

Seine Bilder, die in den letzten Monaten zwischen Erlangen und Kyoto entstanden, laden dazu ein, sich ein eigenes, unvoreingenommenes Bild von einer Kopfbedeckung zu machen, die schon immer ein kultureller Wegbegleiter der Frauen war – und die manchmal sogar Männer schmückt. Seine Bilder begleiten Bäuerinnen aufs Feld und in den Stall, er begleitet Läuferinnen beim Erlanger Benefizlauf und beobachtet einen Schauspieler beim Geschichten erzählen. "Betuchte" Muslima als Zahnarzthelferinnen und in einer Ausstellung sind ihm ebenso ein Motiv wie ein schmuckes Kopftuch im Fahrtwind eines Cabriolets, buddhistische Nonnen verhüllen sich mit Tuch wie ein (meditativer) Butoh-Tänzer, in der Restaurant-Küche in seiner alten Heimat (in Kyoto) herrscht Kopftuchzwang.

Ein Stückchen Stoff als vielfältiges Kunstwerk

Das letzte noch denkbare Motiv fehlt leider: eine Ordensfrau einer katholischen Schwesternschaft. Dafür darf die von ihm fotografierte "Motorradbraut" im Kopftuch die Ausstellung eröffnen: Es ist die grüne Bürgermeisterin Susanne Lender-Cassens, für die sich ein schmuckes Tuch im Theater-Fundus fand.

"KopfTuchKunst", 29 Fotos des Fotografen und Journalisten Heizo Takamatsu. Im Café-Bistro der VHS in der Friedrichstr. 17 bis 27. Juli bei freiem Eintritt zu sehen.

 

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