Eindrucksvolles Konzert in Erlangen

15.11.2018, 14:30 Uhr
Eindrucksvolles Konzert in Erlangen

© Draminski

Diese Messe entstand in Schuberts letztem Lebensjahr und folgerichtig trägt sie alle Züge eines Opus ultimum. Titanische Aufschwünge, die man getrost als Aufbegehren gegen ein tragisches Schicksal deuten darf. Passagen tiefster Verzweiflung. Und Hoffnung, die aus gläubiger Zuversicht erwächst. Kein einfach zu fassender Stoff, die interpretatorischen Fähigkeiten werden auf eine spannende Probe gestellt.

Ekkehard Wildt stellt der Messe Schuberts "Unvollendete" gegenüber. Mit dieser zweisätzig gebliebenen Sinfonie Nummer 7 (D 759) demonstriert er die hohe Klangkultur des Nürnberger Bachorchesters und stellt darüber hinaus sein Talent als Architekt großer Spannungsbögen unter Beweis. Ein Filigranschmied, der es versteht, mit nuancierter Dynamikarbeit in die inhaltlichen Tiefen eines Werkes abzutauchen und dort Erstaunliches zu finden.

Ein Ansatz, von dem auch die überaus chorlastige Es-Dur-Messe profitiert. Wie das liebevoll edierte Programmheft verrät, ging Schubert sehr frei mit dem Messetext um und schuf ein sehr persönliches Werk, das im üblichen liturgischen Rahmen eher schwierig zu verorten wäre. Als individuelles Glaubensbekenntnis und Dokument des Abschieds funktioniert die Messe umso besser, zumal sie von starken Kontrasten lebt und als scharf zeichnender Spiegel einer zerrissenen Seele verstanden werden kann. Und genauso deutet Ekkehard Wildt das komplexe Opus auch.

Anspruchsvolle Passagen

Hier werden die riesigen Sprünge zwischen majestätischem Aufschwung mit höfischem Aplomb und kammermusikalischer Versenktheit nicht eingeebnet, es wird kein Al-fresco-Repräsentationsstück inszeniert. Stattdessen stehen Wildt und seine Kantorei in der bestens besuchten Neustädter Kirche zu den Brüchen und den Paradoxa eines Werkes, das einerseits in der Tradition großer Vorbilder wie Johann Sebastian Bach steht und andererseits ganz weit voraus greift. Einer titanischen "Sanctus"-Fuge stehen Messteile wie das "Credo" gegenüber, die auch von Anton Bruckner oder den Spätromantikern des 20. Jahrhunderts stammen könnten. Die Kantorei schlägt sich höchst achtbar, macht aber in mancher anspruchsvollen Passage den Mangel an strahlkräftigen Männerstimmen hörbar, mit dem gleichwohl heutzutage fast jeder große Innenstadtchor kämpft.

Lyrisch grundiert erscheint das Solistenquintett mit der Sopranistin Antonia Bourvé, der Altistin Katharina Heiligtag, den Tenören Alfons Brandl und Daniel Thomas sowie dem Bass Markus Simon: Homogenität kommt vor Effekt, feine Phrasierung und Wortverständlichkeit vor dem letzten Quäntchen Druck und Höhenglanz. Und das muss auch so sein, denn es geht nicht ums Beeindrucken, sondern ums Überzeugen, um die Gewissheit, dass der Tod nicht das Ende ist. Die finale Friedensbitte rührt zu Tränen. Und das ist gut so.

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