Eine Chance für das Wien-Ticket in Erlangen?

15.12.2018, 13:00 Uhr
Eine Chance für das Wien-Ticket in Erlangen?

© Archivfoto: Sippel

Der öffentliche Nahverkehr mit Bussen und Bahnen liegt im Aufgabenbereich der Gebietskörperschaften (also der Städte und Landkreise) sowie der jeweiligen Länder, die den Regionalverkehr auf der Schiene finanzieren und bei den jeweiligen Verkehrsanbietern bestellen, also der Deutschen Bahn AG oder privaten Bahnbetreibern.

Während der vom Freistaat Bayern bestellte Schienenverkehr durch einen Bundeszuschuss finanziert wird, müssen Städte und Landkreise tief in die Tasche greifen, um Busse, U-Bahnen oder Straßenbahnen fahren zu lassen. Allein in der Stadt Erlangen ist ein Jahreszuschuss für den Stadtverkehr von sechs Millionen Euro nötig, im Landkreis sind es über zwei Millionen.

Nachdem zu Jahresbeginn drei Bundesminister an die Europäische Kommission schrieben, man könne sich für die Einhaltung der Luftwerte in den Städten auch einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) vorstellen, hat dies vor allem in den Städten hohe Wellen geschlagen. In Erlangen überwiegt erst einmal die Skepsis gegenüber diesem Vorschlag.

Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik sah in dem Vorschlag zwar "eine richtige Botschaft". Allerdings würde deren Umsetzung "richtig viel Geld kosten" – zu viel Geld.

Viel interessanter als die Idee vom Nulltarif im ÖPNV fand Janik allerdings das politische Signal aus Berlin, den ÖPNV wieder verstärkt in den Blick zu nehmen. Von Bayerns neuem Ministerpräsidenten Markus Söder ist nun der Vorschlag gemacht worden, das auch in Erlangen diskutierte Wiener Modell einzuführen, wonach eine Jahreskarte für den ÖPNV 365 Euro kosten solle – pro Tag also einen Euro. Als zeitliches Ziel für dieses ambitionierte Vorhaben ist 2030 vorgesehen.

Der Haken an dem Vorschlag: Wer die bei den jeweiligen kommunalen Verkehrsunternehmen anfallenden Defizite ausgleichen soll, ist völlig ungeklärt – Söder verweist auf überfällige Verhandlungen mit dem Bund.

In einem gemeinsamen Antrag mit der Grünen Liste will nun die SPD-Stadtratsfraktion (und im Nachgang auch die CSU-Stadtratsfraktion, die auf den Koalitionsvertrag der Staatsregierung verweist) vom Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) sowie von der eigenen Verwaltung wissen, was in dem Zeitraum bis 2030 passieren soll. SPD und Grüne monieren, dass man den von der Staatsregierung anvisierten Zeitplan für "unnötig zögerlich" hält.

"Um die Einführung des 365-Euro-Tickets zu beschleunigen, müssen deshalb vor Ort die entsprechenden Weichen gestellt und die prognostizierten Einnahmeausfälle berechnet werden, damit man zu einer soliden Entscheidungsgrundlage kommen kann", heißt es in dem Antrag. Bis das Zeitkarten-Sortiment neu konzipiert und strukturiert sei, sollte die Staatsregierung die jährlich notwendigen Tariferhöhungen als Zuschüsse fließen lassen, meinen die Antragsteller: "Damit könnten bis zur Einführung eines 365-Euro-Tickets die Preise zumindest eingefroren werden."

Gleichwohl bleibe die Finanzierungssituation des ÖPNV in Deutschland angespannt. Steigenden Ausgaben stünden in den letzten Jahren sinkende Zuschüsse von Land und Bund gegenüber. Damit würden die Kommunen gezwungen, durch Zuschüsse aus dem eigenen Haushalt die Attraktivität des ÖPNV aufrechtzuerhalten – was in Erlangen beispielsweise durch die Sozialrabattierung geschehe, die es bedürftigen Menschen ermöglicht, mobil zu bleiben. Langfristig schaffe dies aber ungleiche Bedingungen, denn nur finanzkräftige Kommunen können solche Zuwendungen leisten.

SPD und Grüne konstatieren aber: "Durch die Ankündigung der Staatsregierung, in den bayerischen Ballungszentren bis 2030 die Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets einführen und unterstützen zu wollen, ist ein Chancenfenster aufgegangen, die ÖPNV-Finanzierung auf eine weitere Säule zu stellen."

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