Erlangen: Das Stofftier bleibt oft in der Wohnung zurück

3.10.2015, 12:00 Uhr
Erlangen: Das Stofftier bleibt oft in der Wohnung zurück

© dpa

Manchmal ist es nur ein Kuscheltier, das in der Wohnung zurück bleibt. Zurück bleiben muss, weil im Notfall alles sehr schnell geht. Die Mitarbeiterinnen des Autonomen Frauenhauses suchen innerhalb weniger Minuten das Nötigste zusammen, Kleidung für die Schutzsuchende und, wenn vorhanden, ihre Kinder. Lange darf und kann das nicht dauern – zu groß ist die Gefahr, dass der gewalttätige Ehemann oder Lebenspartner die Frauenhaus-Mitstreiterinnen beim Auszug überrascht. Hinzu kommt: Die Autos, allesamt Privat-Pkw der Mitarbeiterinnen, sind vom Platz her beschränkt; was für die flüchtende Familie nicht lebenswichtig ist, bleibt in der Wohnung.

„Wir können mit unseren Wagen nicht alles mitnehmen“, sagt die langjährige Mitarbeiterin Ursula Langer, „und das geht meist auf Kosten der Kinder.“ Das eine sind nicht miteingepackte Spielsachen, die bei den ohnehin schon verstörten und verunsicherten Söhnen und Töchtern zusätzlich für Tränen sorgen. Das andere sind Abstriche, die das Frauenhaus bei Ausflügen und Freizeitangeboten machen müssen — ebenfalls, weil es am Transportmittel scheitert.

„Wir würden gerne gerade mit den Kindern am Wochenende mehr unternehmen, um sie auf andere Gedanken zu bringen; aber wir bekommen in unsere Privat-Pkw zu wenige Frauen, Kinder und auch Kindersitze hinein“, erzählt die 60-Jährige, die mit zu den Gründerinnen des Frauenhauses 1978 gehört.

Selbst die zur Stadt eher nahegelegene Jugendfarm im Meilwald ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwer zu erreichen, zumal man mit Kleinkindern nicht so weit laufen kann und für die Wege wertvolle Zeit zum Spielen verloren geht. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Kollegin mit Pkw nun in Rente gegangen und ihr eine Mitarbeiterin ohne Auto gefolgt ist: „Wir haben nicht die Möglichkeiten, viele Frauen und Kinder mit unseren Fahrzeugen zu transportieren — mit einem Kleinbus wären wir da flexibler.“

Das wäre bitter nötig: Etwa dann, wenn das Gericht plötzlich einem Vater den Umgang mit seinen vier Kindern genehmigt: „Wie sollen wir das mit unseren Autos hinbekommen?“, fragt Langer rhetorisch. Mit einem Sprinter wäre die Noteinrichtung, die bis zu zwölf Frauen und deren Kindern Zuflucht bietet, in solchen Fällen handlungsfähiger.

Eine schnelle Reaktion kann im Zweifelsfall Leben retten, beispielsweise, wenn eine Frau vor ihrem prügelnden Ehemann nicht mehr sicher ist und in eine andere Stadt, womöglich ein anderes Bundesland, muss. Auch dann müssen die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses die Betroffene kurzfristig zu einem Bahnhof, aus Sicherheitsgründen meist nicht in Erlangen, fahren und mit ihrem Gepäck in den Zug setzen.

Möglichst flott soll oder — muss es sogar — auch gehen, wenn Frauen in Flüchtlingsunterkünften Hilfe benötigen. Je mehr Asylbewerber in die Region kommen, desto häufiger sind die acht Mitarbeiterinnen des Frauenhaues gefordert. Zunehmend werden sie von der Polizei, von Sicherheitsdiensten, Wohlfahrtsverbänden oder Helfern der Ehrenamtlichen Flüchtlingsbetreuung in Erlangen (Efie) zu Streitigkeiten in Notunterkünften gerufen, etwa zu syrischen, ukrainischen oder afrikanischen Eheleuten.

„Viele Frauen haben schon in ihrem Heimatland Gewalt erfahren“, berichtet Langer, „aber hier ist es nicht erlaubt und deshalb haben die Frauen ein Recht auf Hilfe — auch wenn sie sich in einer Flüchtlingssituation befinden.“

Für die Frauenhaus-Mitarbeiterinnen bedeutet das: Sie müssen Dolmetscherinnen zu den oft ohnehin schon aufgewühlt schwierigen Gesprächen hinzuziehen und diese auch bezahlen. Da die Flüchtlingsfrauen oft sofort in die Noteinrichtung zurückkommen, sobald der Mann in eine andere Unterkunft gebracht wurde, nimmt die Zahl der Hin- und Herfahrten zu (einheimische Frauen bleiben im Schnitt 90 Tage in der Einrichtung).

Das Budget, das voraussichtlich der Freistaat (32 400 Euro), die Stadt (etwa 249 800) und der Landkreis (61 000) im kommenden Jahr für die Einrichtung (2014 wurden 49 Frauen und 46 Kinder aufgenommen) zur Verfügung stellen, reicht für den Kauf eines Kleinbusses jedoch nicht aus.

Erst Anfang September hatte die Erlanger SPD-Landtagsabgeordnete Alexandra Hiersemann im Gespräch mit unserer Zeitung die Arbeit des Frauenhauses gelobt, aber die mangelnde Finanzierung durch den Freistaat kritisiert.

Daran ändert auch die (wie berichtet) kürzlich getroffene Vereinbarung zwischen dem Polizeipräsidium Mittelfranken und dem Erlanger Frauenhaus nichts: Künftig kann die Polizei der Einrichtung mitteilen, wenn es einen Fall von häuslicher Gewalt gibt. Die Mitarbeiterinnen können sich nun direkt an die Frau wenden und müssen nicht mehr warten, bis betroffene Frauen die Beratungsstelle selbst kontaktieren. „Das ist gut“, sagt Langer, „weil sich viele Frauen schämen und uns deshalb nicht anrufen“. Die Hemmschwelle, die viele von einem Hilferuf abhält, falle weg. „Das ist eine tolle Sache“, erläutert sie, schränkt aber ein, „viel mehr Geld gibt es dafür nicht.“

Für die nun zusätzlichen Personalkosten muss auch der zum Frauenhaus gehörige Verein „Zum Schutz misshandelter Frauen“ mit zehn Prozent einspringen (80 Prozent übernimmt der Freistaat und jeweils fünf die Stadt und der Landkreis).

Deshalb ließe sich das dringend benötigte Fahrzeug nur durch Spenden (rund 16 000 Euro im Jahr) und die doch eher geringen Mieteinnahmen durch die Bewohnerinnen (31 000 Euro) finanzieren; diese Gelder sind aber ohnehin schon für den laufenden Betrieb unabkömmlich. Schließlich belaufen sich die Gesamtausgaben im kommenden Jahr schätzungsweise auf 394 000 Euro. „Für das Auto“, sagt Langer, „bräuchten wir aber um einiges mehr“.

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