Erlangen: Flüchtlinge machen Praktikum bei Zustellbasis

21.2.2016, 20:43 Uhr
Erlangen: Flüchtlinge machen Praktikum bei Zustellbasis

© Harald Sippel

Die knallgelben Jacken leuchten in der grauen Halle. Der Kragen wirkt etwas zu mächtig für den feinen Hals und den kleinen Kopf. Die Augen aber leuchten, obwohl sie braun sind, was fast genauso hell. Jamal Osman Sheka trägt diese Jacke mit stolz, wie eine Uniform. Als Zeichen: Er gehört dazu. Er ist ein Kollege. Er arbeitet. Für den 19-Jährigen ist das keine Selbstverständlichkeit. Zumindest nicht, seitdem er in Deutschland ist. Zuhause in Äthiopien hat Jamal viel gearbeitet. "Fünf Jahre war ich in der Schule, ein Jahr lang habe ich mit Getreide gehandelt." Dann musste Jamal fliehen. "Die Regierung kümmert sich nicht um Menschen." Die Stationen seiner Flucht kann er aufzählen, es ist eine Route, die viele nehmen. Über den Sudan, Libyen, das Mittelmeer und Italien bis nach Deutschland. Jamal erzählt davon auf Deutsch, wenn auch in einfachen, langsamen Sätzen.

Seit sieben Monaten lebt er in Oberreichenbach, in einer Wohngemeinschaft mit sieben anderen Männern. "Eine eigene Wohnung ...", für Jamal ist es ein Traum. Irgendwann allerdings könnte er ihn sich erfüllen. "Ich möchte in Deutschland arbeiten." Geld verdienen, selbstbestimmt leben, nicht abgeschoben werden. Eine Ausbildung könnte all das möglich machen. Den allerersten Schritt hat er nun getan.

Zusammen mit drei weiteren Flüchtlingen aus Oberreichenbach absolviert Jamal ein fünfwöchigen Orientierungspraktikum bei der Niederlassung Nürnberg der Deutschen Post. Zunächst lernten sie das Paketzentrum, dann das Briefzentrum kennen. Seit Anfang der vergangenen Woche sind sie zusammen mit einem Paketzusteller auf Tour. Los geht es an der Zustellbasis in Frauenaurach. Von dort aus liefern rund 60 Zusteller täglich Pakete in Erlangen und Umgebung aus. Pro Auto sind das 200 Päckchen am Tag.

Dass die Flüchtlinge mitfahren dürfen, haben sie auch dem Helferkreis Oberreichenbach zu verdanken. Der hat zusammen mit der Deutschen Post das Praktikum möglich gemacht, Ehrenamtliche bringen die Männer zum Beispiel jeden Tag aus dem 17 Kilometer entfernten Ort zur Arbeit. "Zuvor haben die Asylbewerber bei uns in der Gemeinde geholfen, Wege gesäubert, Blumenbeete gepflegt oder für den Fußballplatz gesorgt", sagt Klaus Hahn vom Helferkreis. Wichtig sei, die Männer in Arbeit zu bringen. "Im Deutsch-Unterricht hat sich gezeigt: Ohne Praxis geht es nicht."

Während des Praktikums hat Jamal dagegen jeden Tag Kontakt zu den anderen Mitarbeitern. Alle sprechen deutsch miteinander. "Wenn wir die Pakete abgeben, arbeite ich mit Menschen", sagt er. Ihm mache das Spaß. Zudem fährt er mit dem Zusteller viel in der Region herum, lernt neue Straßen und Wege kennen. Die Kollegen — bei diesem Wort lächelt Jamal — sind anscheinend ziemlich nett.

Eine Million Euro investiert

Umgekehrt loben die Verantwortlichen bei der Deutschen Post die Asylbewerber für ihr Engagement. "Sie legen sich wirklich ins Zeug", sagt Winfried Schnödt, der Leiter der Niederlassung Nürnberg, zu der auch das Zentrum in Frauenaurach gehört. Insgesamt arbeiten dort Mitarbeiter aus 49 verschiedenen Nationen. Praktikanten aus Äthiopien? "Werden bei uns gut aufgenommen."

Deutschlandweit hat das Unternehmen 1000 solcher Praktika geschaffen und eine Million Euro dafür investiert. „Wir können sehr viel zur Integration beitragen und wir meinen, dass das auch unsere soziale Verpflichtung ist“, sagt Schnödt. Perspektivisch sollen diese Orientierungswochen die Flüchtlinge für eine Ausbildung fit machen. Sie könnten hier den Beruf der sogenannten Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen (FKEP) erlernen.

Bis dahin allerdings ist noch ein Stück zu gehen. Jamal zum Beispiel könnte zunächst noch ein längeres Praktikum machen. Dafür allerdings muss er sich bewerben. Ob alle vier Flüchtlinge aus Oberreichenbach die Chance dazu erhalten, steht noch nicht fest. Ein Teil von ihnen allerdings darf sich Hoffnungen machen.

Zudem will Jamal weiter Deutsch lernen. Will er eine Ausbildung machen, muss er auch die Berufsschule besuchen. Doch Jamal ist dazu bereit — außer vielleicht nach Feierabend. Dann will er nur noch eines: Fußball spielen.