Erlangen: Medizin und Forschung ganz eng

29.10.2014, 14:10 Uhr
Erlangen: Medizin und Forschung ganz eng

© Harald Sippel

„Wissenschaft fängt eigentlich erst da an interessant zu werden, wo sie aufhört.“ Mit diesem Satz des Chemikers Justus von Liebig beschrieb der Dekan der Medizinischen Fakultät Professor Jürgen Schüttler bei der Einweihungsfeier des Translational Research Centers (TRC), um was es in dem neuen interdisziplinären Forschungszentrum im Kern geht: um die Hoffnung, weiter zu kommen, Neues zu entdecken, das Ringen um wegweisende Erkenntnisse, das kleine Quentchen Zufall, das auch hier manchmal unabkömmlich ist – und dies in die Praxis hinein wirken zu lassen. „Lassen wir uns inspirieren zu kreativer Forschung“, sagte Professor Schüttler.

Was überhaupt nicht ausschließt, dass die Forschung dabei bestimmte Ziele definiert und versucht, diese zu erreichen. Vorteile verspricht man sich nun einerseits von der Nähe des TRC zur Internistischen Klinik, andererseits auch von der Nähe mehrerer Forschungsdisziplinen untereinander.

Professor Michael Stürzl, Sprecher des Betreibergremiums mehrerer Klinikdirektoren, spricht in diesem Zusammenhang von dem „Geheimnis hinter dem Gebäude“. Soll heißen: Sieben Kliniken sind hier vertreten, jeweils drei verteilt auf zwei Stockwerke, eine im Keller. Junge Wissenschaftler und Mediziner arbeiten neben- und miteinander, die räumliche Nähe erleichtert es, sich untereinander auszutauschen.

München, sagt Professor Stürzl, habe das Max-Planck-Institut und außerdem schöne Forschungsfacilities an den einzelnen Kliniken, „das wollen wir auf die typische Erlanger Art und Weise kompensieren“ – durch das Miteinander unter einem Dach. Auf diese Weise könnten Synergie-Effekte genutzt werden – und die verschiedenen Disziplinen etwaige Eitelkeiten ablegen: „Das Phänomen des Gockels auf dem Mist muss abgeschafft werden“, sagt Professor Stürzl. Geforscht werde zum Nutzen und Wohl des Patienten, der einzelnen Klinik werde dabei nichts weggenommen.

Wir begeben uns auf einen Rundgang. Das Erdgeschoss mit seiner Café-Ecke ist offen zugänglich. Im ersten Stockwerk gelangt man nicht mehr so einfach weiter. Die Glastür lässt sich erst öffnen, als Professor Stürzl eine Karte durch einen Scanner zieht. Zugang zu den Laborbereichen unterschiedlicher Sicherheitsstufen haben nur Befugte. Hinter den Türen sind Genlabore. In einem Multi-User-Raum sitzt gerade Lisa Haep vor einem Bildschirm, auf dem sich im Zeitraffer Zellen teilen. Die Doktorandin arbeitet mit Proben, die in einer Inkubationskammer in einem Laserscanning-Mikroskop um ein Vielfaches vergrößert werden. Hier geht es darum, Stoffe zu finden, die die Wanderung von Zellen verstärken oder blockieren.

In einem der Genlabore arbeiten Wissenschaftlergruppen der Medizinischen Klinik 4. Christina Warnecke, zuständig für die organisatorische Leitung, sagt: „Für uns ist es sehr gut, dass wir Kontakt haben zu anderen Gruppen, zum Beispiel den Kardiologen.“ Die Labore der Nephrologie mit ihrer molekularbiologischen Forschung waren bisher in einem 100 Jahre alten Wohnhaus an der Loschgestraße untergebracht. Sehr beengt sei das gewesen, sagt die Wissenschaftlerin, jetzt sei ein Teil ins TRC umgezogen. Sie erklärt, wie etwa polyzystische Nierenerkrankungen erforscht werden.

Essentiell für die Forschung ist eine Biobank. Hier werden Blut, Gewebe- und Harnproben gekühlt gelagert.

Wichtig sei es, kontrolliert saubere Proben aus der Klinik hierher zu schaffen, betont Professor Stürzl. Dahinter steckt ein großer logistischer Aufwand. Zu jedem Röhrchen gibt es Patientendaten. Und: Neben der Versorgung muss auch die Entsorgung gewährleistet sein.

Fünf Labore stehen noch leer. Für sie gibt es Ausschreibungen. Junge Wissenschaftler und Mediziner werden mit ihren Forschungsprojekten einziehen – für einen begrenzten Zeitraum von drei bis fünf Jahren. „Das hält das Konzept dynamisch“, sagt Prof. Stürz. „Und es wirkt dem Platzhirschentum entgegen.“

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