Mit Wilder Maus geht es über Berg und Tal

22.5.2018, 16:00 Uhr
Mit Wilder Maus geht es über Berg und Tal

© Harald Sippel

Peter Münch, Chef der "Wilden Maus" steht in der Mitte seiner Bahn, zwischen den unzähligen Streben, gelben Stahlböcken und den lilafarbenen, knapp 400 Meter langem Schienenband. Es ist Vollbetrieb. Die Schlange der Wartenden im Bahnhofsbereich ist lang. Vier Personen pro Chaise starten die Berg-Fahrt, wenn der erste Blockabschnitt grünes Licht zeigt. Er beobachtet die lachenden, schreienden, ängstlichen und fröhlichen Menschen. "Das rasante Tempo der Maus muss man am eigenen Leib erfahren. Das kann man gar nicht beschreiben", erklärt er .

Soeben hat eine jugendliche Clique die Kasse passiert. Einer übertrumpft den anderen mit seinen Erlebnisberichten. Von verrückten Looping-Überschlägen ist die Rede, von einer Achterbahn mit Vorwärts- und Rückwärtsfahrt und von einer Konstruktion mit hängenden Gondeln. 

Da sei die ‚Wilde Maus‘ doch wohl eher ein harmloses Vergnügen – so das Credo. Peter Münch hat es nicht nötig, sich einzumischen und für Aufklärung zu sorgen. Nur seine Augenbrauen rutschen für eine Sekunde nach oben, als er das Gespräch zufällig aufschnappt.

Und schon geht’s los, die Kette greift und zieht den Wagen nach oben. Die erste Haarnadelkurve, entlang am Fahnenwald und hinein in die Spezialkonstruktion. "Huaahhhh", schallt es von oben, als das Quartett mal wieder den Eindruck hat, es geht geradeaus weiter – statt schnell ums Eck. Und es bleibt spannend: Ein großer Sturz und ein Kamelbuckel sorgen für Aufregung und kräftige Schreie.

Noch eine Kurve!

Noch einmal in die Kurve, eine kurze Berg- und Talfahrt und die Sicherheitsbremse packt zu. Endstation – bitte alle aussteigen. Peter Münch hat die Gruppe im Blick behalten. Sie ist still geworden. Keine Angeberlaune mehr, eher Respekt vor den am eigenen Körper erlebten Kräften und der tückischen Maus-Konstruktion. "Starkes Stück!" ist der einzige Kommentar, den es noch gibt. Peter Münch kann sich das Lachen nicht verkneifen.

Die Idee zu der Schienenführung entstand bereits vor dem letzten Weltkrieg, Anfang der dreißiger Jahre. Der Münchener Schausteller Franz Xaver Heinrich konstruierte seine legendäre "Teufelskutsche" aus Holz, die im Prinzip den gleichen Fahrtverlauf hatte. Anno 1965 baute der Schausteller-Impresario Alfred Wolf aus Nürnberg seine Jaguar-Bahn auf dem Berg auf, die ebenfalls noch eine Holz-Konstruktion war und eine Schiene wie die ‚Wilde Maus‘ aufwies.

Vor rund 30 Jahren tauchte eine alte Holz-Bahn wieder auf und wurde vom Publikum regelrecht gestürmt. Die Karussellbau-Industrie erkannte sofort das Potenzial und brachte moderne Stahlbauten nach dem gleichen Prinzip auf den Markt, allerdings höher und schneller. Noch heute gibt es bundesweit rund ein halbes Dutzend reisende Variationen.

Die Anlage von Peter und Renate Münch aus der bayerischen Landeshauptstadt ist ein Unikat. Am Berg steht quasi nur die halbe Version. Die Bahn hat sonst zwei Teile, die spiegelverkehrt gebaut werden.

Damit kann es immer ein Wettrennen geben — welche Chaise ist schneller? "Aber dafür gibt es hier am Berg keinen Platz. Ich musste extra Holz mitbringen, um den Mauervorsprung zu überbrücken und um die Bahn den Vorschriften entsprechend auf ein einheitliches Niveau zu bringen. Rund 1,50 Meter habe ich mit einer soliden Holzkonstruktion unterbaut und bei der TÜV-Abnahme dafür auch ein Lob bekommen", erzählt Münch. Wobei er mit Plätzen in Mayen/Eifel und in Soest Gastspiele absolviert, die eine Unterkonstruktion von über zwei Metern Höhe erfordern.

1999 war die "Wilde Maus" schon einmal an gleicher Stelle präsent. "Eine sehr gute Berg-Kerwa damals, trotz schwieriger Geburt", erinnert sich Münch zurück. Das Areal war einst der Standort des legendären Erlanger Festwirtes Toni Trautner. In dessen Zelt wurde täglich der Berg buchstäblich zelebriert und er war der ungekrönte Lokalmatador. Kein Nachfolger konnte auch nur annähernd an seine Erfolge anknüpfen. Die Idee zur Umwandlung des Festzelt-Areals in eine Spielfläche für eine Achterbahn galt am Anfang als verrückte Idee und hat sich erst nach langen Diskussionen durchgesetzt. In der Bilanz war es eine unerwartete Erfolgsgeschichte.

Peter Münch war damals vom ersten Tag an mit am Ball und hat einen exzellenten Platz für seine Achterbahn gefunden. Nach dem Verzicht des "Frankendorfes" unter der Regie der Familie Dinkel gibt es jetzt die einmalige Chance für die Wiederholung des Experimentes. Wie geht es in den nächsten Jahren weiter?

 

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