Erlangen: Schausteller fürchten um ihren Stammplatz

30.5.2015, 06:24 Uhr
Erlangen: Schausteller fürchten um ihren Stammplatz

© Foto: Harald Sippel

Der zwölfjährige Karl darf während der Bergkirchweih das, wovon so manches andere Kind nur träumen kann: Autoscooter fahren, so oft er will. Oder an der Schießbude schießen. Oder sich im "Breakdance" durchwirbeln lassen.

Karls Eltern Sandra und Karl-Heinz Hartnagel sind Schausteller. Und weil die Bergkirchweih immer in den Pfingstferien stattfindet, ist ihr Sohn zwölf Tage lang in Erlangen mit dabei. Eigentlich lebt die Schausteller-Familie in Nürnberg. Dort besuchen Karl und seine 15-jährige Schwester Lena das Gymnasium – anders als manche Schausteller-Kinder, deren Eltern monatelang von Rummelplatz zu Rummelplatz ziehen und die deshalb ein Internat besuchen.

Schwierige Zeit

So wie Sandra Hartnagel in ihrer Kindheit. Denn sie stammt, wie ihr Mann, aus einer Schausteller-Familie. Im Rückblick erinnert sie sich nicht gern an die Zeit im Internat und bei Pflegeeltern, weil es anders nicht ging. „Für meine Kinder wollte ich das nie“, sagt sie. Deshalb empfindet sie es als großes Glück, dass sie und ihr Mann jetzt Standorte haben, die es nur in den Ferien erforderlich machen, von zuhause weg zu sein.

Die Ferien sind damit allerdings durchgeplant. Urlaub mit den Kindern gibt es einzig und allein in den Faschingsferien. „Das ist die einzige Zeit im Jahr, wo bei uns nichts ist“, sagt Karl-Heinz Hartnagel. „Dann fliegen wir weg in die Sonne.“

Und jetzt also sind sie am Berg – „mit der kleinsten Einheit meines Betriebs“, wie der Schausteller sagt. Bereits in der vierten Generation ist die Familie Hartnagel in Erlangen vertreten, backt 16 Brezensorten vor Ort. Die Eltern und Großeltern haben noch Spielwaren und Luftballons verkauft, erzählt Karl-Heinz Hartnagel, und auch er habe bereits seine Ferienzeit am Berg verbracht. „Ich finde es einfach cool hier“, sagt sein Sohn, der in Erlangen – genauso wie später in Schweinfurt, Coburg und Kronach — Freunde trifft, die er sonst das ganze Jahr über nicht sieht. Gemeinsam machen sie das Berg-Gelände unsicher oder spielen an den Wohnwagen miteinander.

Die überwiegende Zahl der Schausteller-Wohnwagen steht während der Kirchweih auf dem Parkplatz, der sich eingeklemmt auf einen schmalen Streifen zwischen Frankenschnellweg und Baiersdorfer Straße befindet. Auf einer Seite donnern Autos und Lkw vorbei, auf der anderen Züge. Dass genau dieser Standort in Gefahr ist, weil die Bahn angekündigt hat, ihn als Baustellenplatz benützen zu wollen, macht allen Schaustellern große Sorgen. „Dieser Platz ist für uns lebenswichtig, es wäre eine Katastrophe, wenn wir ihn nicht mehr nützen könnten“, sagt Karl-Heinz Hartnagel und schiebt hinterher: „Der Lärm ist zweitrangig, durch unser Gewerbe sind wir lärmunempfindlich.“

Wichtig sei, dass der Platz vom Berg aus auch fußläufig erreichbar sei – zusätzlich zu dem Shuttle Bus, der während der Kirchweih eingerichtet wird. „Viele Familien wohnen hier mit Kindern, Eltern, Opa und Oma“, sagt Hartnagel.

Auf dem Platz laufen alle Fäden zusammen, wird zum Beispiel auch Geschäftswäsche gewaschen. Morgens gehen die Schausteller von hier aus zum Berg, kehren spätnachts zurück – und wer Kinder oder etwa pflegebedürftige Angehörige hier hat, auch zwischendurch.

Karl-Heinz Hartnagels Tochter hilft inzwischen schon ein bisschen im Geschäft mit. „Das macht Spaß“, sagt sie. In die Fußstapfen der Eltern will sie trotzdem nicht treten. Ihr Berufsziel sei Anwältin, sagt sie. Bruder Karl dagegen will einmal in den elterlichen Betrieb einsteigen. Aber vorerst locken in den Pfingstferien noch die Autoscooter.

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