Erlanger Experte zweifelt an Frühjahrsmüdigkeit

17.3.2019, 12:50 Uhr
Die meisten Studien haben gezeigt, dass Müdigkeit bei Patienten eher an seelischen Problemen liegt, etwa an Depressionen oder Angsterkrankungen.

Die meisten Studien haben gezeigt, dass Müdigkeit bei Patienten eher an seelischen Problemen liegt, etwa an Depressionen oder Angsterkrankungen.

Herr Professor Kühlein, vom Winterschlaf geht es bei manchen Menschen ohne Übergang weiter mit Frühjahrsmüdigkeit. Sind wir mittlerweile dauerträge?

Thomas Kühlein: Tatsächlich ist es bei manchen Menschen so, dass sie einfach immer dieses Gefühl der Müdigkeit haben. In meiner Vorlesung frage ich stets so gegen zwei Uhr mittags, wer müde ist. Dann gehen sicher 90 Prozent der Hände hoch. Dann frage ich, wer nach der Vorlesung deswegen den Arzt aufsucht — und dann gehen die Hände wieder runter.

Weil Müdigkeit nicht Zeichen einer Krankheit ist?

Kühlein: Ja, meistens kennen wir den Grund dafür. Wir haben zu wenig geschlafen oder brauchen einfach eine Pause. Wir interpretieren das nicht als Zeichen einer Krankheit. Dennoch ist die Müdigkeit einer der häufigsten Gründe, warum Patienten den Arzt aufsuchen.

Sind Studenten, die um acht Uhr kommen, weniger müde?

Kühlein: Nein, die sind noch müde. Und die um 14 Uhr sind schon wieder müde. Ob man müde ist, ist vor allem eine Frage der Motivation. Ich frage meine Studenten am Anfang der Vorlesung nach ihrer Müdigkeit. Wenn diese sich auch während meiner Vorlesung müde fühlen würden, würde ich an meiner Arbeit zweifeln. Dann habe ich sie nicht richtig motiviert.

Aber wann ist es dann wirklich die Frühjahrsmüdigkeit?

Kühlein: Die Frage ist: Gibt es diese Frühjahrsmüdigkeit überhaupt? Das ist wenig untersucht. Es scheint so zu sein, dass es eine Tendenz gibt, dass die Menschen müder sind als wann anders, aber es ist nicht so, dass wir deshalb in den Praxen mehr Patienten hätten, die über Müdigkeit klagen.

Viele sagen selbst, sie würden unter Frühjahrsmüdigkeit leiden.

Kühlein: Der Mensch spürt etwas und interpretiert es selbst. Die Interpretation sagt ihm zwei Dinge: dass es harmlos ist und bald wieder vorübergeht.

Aber viele klagen darüber.

Kühlein: Der Mensch ist kein Auto, er ist nicht bei Mercedes oder Toyota produziert und schnurrt los, wenn man Gas gibt. Der Mensch unterliegt durchaus hormonellen Schwankungen.

Gibt es organische Ursachen?

Kühlein: Körperliche Gründe muss man abklären: etwa, ob eine Blutarmut, Diabetes oder eine chronische Infektion wie eine Leberinfektion vorliegt. Aber die meisten Studien haben gezeigt, dass die Müdigkeit bei Patienten eher an seelischen Problemen liegt, etwa an Depressionen oder Angsterkrankungen.

Dieser Artikel stammt aus unserem Archiv und wurde am 14. April 2016 publiziert.

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