Erlanger Gesundheitsamtschef bereut keinen Tag

31.7.2015, 18:00 Uhr
Erlanger Gesundheitsamtschef bereut keinen Tag

© Foto: Ralf Rödel

Herr Dr. Lederer, Ihr Aufgabengebiet als Gesundheitsamtsleiter ist und war riesig — welcher Bereich hat Ihnen am Besten gefallen?

Peter Lederer: Alles — und dass das Gebiet gerade so umfangreich ist. Ich bezeichne das Amt manchmal als Gemischtwarenladen. Es reicht von Beratung und Hilfe für Schwangere bis hin zur Hygieneüberwachung, Ermittlung bei infektiösen Erkrankungen, Überwachung von Wasserversorgungen bis hin zur Heimaufsicht — und, und, und. Das waren durch die Bank alles interessante Aufgaben.

 

Haben Sie denn als Mediziner nie den Umgang mit Patienten vermisst?

Lederer: Das war vor rund 30 Jahren noch stärker. Den Dank eines therapierten Patienten vermisst man schon, wenn man den beruflichen Zweig als Amtsarzt hat.

 

Fehlen Ihnen die Erfolge, die man im Umgang mit Kranken hat?

Lederer: Wir haben auch Erfolge. Wenn wir irgendwo dazu beitragen können, dass wir bei der Hygiene Standards schaffen, dass in Heimen Menschen würdig gepflegt werden und sich die medizinischen Verhältnisse irgendwo bessern — dann sind das auch Erfolge. Das betrifft zwar jetzt nicht den Einzelnen, face to face, also von Angesicht zu Angesicht, sondern Gruppen, die davon profitieren.

Sie sind für die gesundheitlichen Verhältnisse von Stadt und Landkreis und zugleich für die Gesundheit der Bevölkerung zuständig. Ist diese Doppelfunktion schwierig?

Lederer: Nein, eigentlich nicht. Der Amtsarzt ist zuerst Arzt — und dann hat er ein Amt in meinem Verständnis. Wenn Sie die Funktion des Gesundheitsamtsleiter so sehen, dann ist es kein Switch, kein Umschalten von einer Aufgabe zur nächsten.

 

Weil Sie in beiden Bereichen helfen?

Lederer: Ja, so kann man es sehen. In der Beratung oder Begutachtung helfen wir jemandem ganz konkret in seiner Situation. Wenn wir uns um die Belange der Stadt oder des Landkreises kümmern, unterstützen wir Gruppen, indem wir dazu beitragen, die allgemeinen Verhältnisse zu verbessern.

 

Wie weit ist denn der Anspruch gediehen, Erlangen als Medizinhauptstadt auszubauen?

Lederer: In den Bereich fällt nicht nur Erlangen, sondern auch der dazugehörige Landkreis Erlangen-Höchstadt. Die Zeiten, in denen Zollschranken an der Stadtgrenze sind, sind schon lange vorbei. Jene, die vom Medizinstandort in Erlangen profitieren, wohnen in Herzogenaurach oder irgendwo anders im Umland, aber auch in der Stadt. Generell sind wir bei der medizinischen Versorgung schon sehr weit gekommen.

 

Dennoch spricht man meist nur von der Medizinhauptstadt Erlangen.

Lederer: Ich denke, dass jeder Politiker zunächst einmal den Kirchturm vor seiner Tür sieht. Natürlich war es eine interessante Zeit, sich in den Bereich Medizinhauptstadt einzubringen, wobei mein persönlicher Beitrag war, zu schauen, dass bei aller Medizintechnik, bei allen wirtschaftsfördernden Komponenten die Gesundheitsförderung nicht zu kurz kommt. Da haben wir noch Nachholbedarf. Ich war im Gegensatz zu manch anderem von Anfang an überzeugt, dass man beides braucht.

 

Weil sich Gesundheitsförderung für den Wirtschaftsstandort auszahlt?

Lederer: Genau, in Zeiten von Fachkräftemangel und demografischem Wandel brauchen wir gesunde Mitarbeiter, die möglichst lange in der Lage sind, ihre Arbeit auszufüllen. Fitness und Gesundheit aber werden einem nicht zwangsläufig geschenkt, dafür muss man auch etwas tun.

 

An Sportaktionen beteiligen sich ohnehin meist jene, die auf Kondition und Körper achten. Was ist mit Menschen, die Sie trotz aller Appelle nicht erreichen, beispielsweise sozial Schwächere?

Lederer: Genau diese Menschen wollen wir verstärkt ansprechen. Deshalb achten wir schon seit einiger Zeit darauf, dass wir die Programme so ausrichten, dass sie bevorzugt jenen zugute kommen, die sonst nicht bevorzugt werden. Noch sind wir mit dem Erreichten aber nicht zufrieden. Wir müssen noch viel genauer schauen, wie wir die Ressourcen verteilen.

 

Weil es leichter ist, jemandem ein Angebot wie etwa Rückentraining zu geben, der es auch gerne annimmt?

Lederer: Natürlich. Es ist schwerer, Menschen zu erreichen, die eben nicht begünstigt sind, aber man muss es trotzdem versuchen. Gerade wenn man die Gesundheitsdaten kennt und weiß, dass sozial Schwächere da benachteiligt sind: Sie bewegen sich weniger, rauchen und trinken häufiger und leiden mehr an damit einhergehenden Krankheiten — und zwar von Kindheit an.

 

Welche Erkrankungen sind das?

Lederer: Die Diabetes-Häufigkeit im so genannten sozial benachteiligten Bereich ist im Alter fast doppelt so hoch wie bei Hochverdienern.

 

Reichen die Mittel aus, sozial Schwache zu mehr Gesundheitsbewusstsein zu motivieren?

Lederer: Noch nicht, wir brauchen weitere Ressourcen und die müssen alle zur Verfügung stellen, die in der Prävention arbeiten. Wir können das nicht alleine tun, sondern benötigen Netzwerke. Das ist auch Sache des Bundes: Noch gibt Deutschland in diesem Bereich zu wenig aus. Das soll sich mit dem neuen Präventionsgesetz aber ändern.

 

20 Jahre Amtszeit gehen zu Ende, was war Ihr schönstes Erlebnis?

Lederer: Ein Einzelerlebnis zu nennen, ist schwer, aber in der Summe war es immer schön. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht gern ins Büro gegangen bin. Dazu haben meine Mitarbeiter beigetragen und auch der — in Anführungszeichen — Erlanger Spirit. Dieser Spirit hat uns die Arbeit mit Verwaltung und anderen Behörden immer leicht gemacht — weil alle stets lösungsorientiert an einem Strang gezogen haben.

 

Und welches Ereignis hat Sie am meisten bedrückt?

Lederer: Ich musste erst kürzlich Menschen mitteilen, dass sie HIV-positiv sind. Obwohl man weiß, dass die Krankheit behandelbar ist, ist es für den Arzt eine schwierige Situation, aber natürlich noch vielmehr für den Betroffenen, der im ersten Moment nur noch Weltuntergang spürt — und wissen will: Warum ausgerechnet ich? Diese Momente sind viel schwieriger, als wenn man Menschen sagt, dass etwas keine Gefahr darstellt.

 

Sie spielen auf die Diskussionen um Mobilfunkmasten an.

Lederer: Ja, damals haben wir es in Eltersdorf nicht geschafft, den Bürgern zu vermitteln, dass die Masten nicht krank machen.

Was wünschen Sie zum Schluss Ihrem Nachfolger?

Lederer: Er soll an seiner Aufgabe zumindest genauso viel Freude haben wie ich in all den Jahren — und dann fügt sich alles andere, denke ich, von selbst. Mein Nachfolger kommt in den Erlanger Spirit hinein — und der ist sozialisierend für alle Beteiligten.

 

Wie werden Sie die nächsten Monate und Jahre verbringen?

Lederer: Im Urlaub werde ich darüber nachdenken, was ich im Ruhestand alles mache. Priorität aber hat auf jeden Fall die Familie. Und wenn ich mal einen schönen Erlanger Tag haben will, setze ich mich gegenüber von Peek und Clockenburg in das Café, direkt an die Straße, und habe von neun bis 13 Uhr immer gute Unterhaltung.

 

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