Erlanger Kultur Tafel ist ein Erfolg

15.4.2018, 12:00 Uhr
Erlanger Kultur Tafel ist ein Erfolg

© Harald Sippel

"Erlangen gehört zu den reichsten fünf Städten Deutschlands", sagt Anna Thiel, Pressesprecherin der Diakonie Erlangen. "Hier kann man länger leben und glücklicher sein als anderswo." Doch dies dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch im reichen Erlangen Menschen gebe, die ein geringes Einkommen haben. Jedes zehnte Kind unter 15 Jahren sei auf Hartz IV angewiesen, führt sie weiter aus. Armut aber sei ein Teilhabehindernis.

"Das unsägliche Vorurteil, wer arm ist, interessiert sich nicht für Kultur, können wir jetzt mit Zahlen widerlegen", sagt Elisabeth Preuß, Erlanger Sozialbürgermeisterin und Schirmherrin der Kulturtafel, in der Pressekonferenz, zu der die Diakonie Erlangen eingeladen hatte. Ein bisschen skeptisch, gesteht sie, sei sie anfangs auch gewesen. Doch jetzt sei klar: Die KulturTafel ist ein Erfolg. Seit dem Start im Juni 2014 haben sich mehr als 500 Personen angemeldet, wobei der Anteil an Kindern rund 40 Prozent beträgt. Exakt 4689 Karten für Veranstaltungen wurden seitdem vergeben.

Zu den Abnehmern gehören neben Kindern und Jugendlichen aus armen Familien auch bedürftige Seniorinnen und Senioren sowie alleinerziehende Mütter und Väter. Voraussetzung, um die Angebote der KulturTafel zu nutzen, ist, dass man Inhaber des ErlangenPasses ist, oder man muss, wenn man außerhalb Erlangens lebt, nachweisen, dass man ein geringes Einkommen hat. 2017 wurden rund 5000 ErlangenPässe verlängert oder neu ausgestellt. In diesem Kalenderjahr sind es bis jetzt 3700 Stück.

Für die KulturTafel stellen Veranstalter ihre nicht verkauften Karten zur Verfügung, die dann kurzfristig telefonisch vermittelt werden. Von Anfang an dabei waren das Theater Erlangen, das E-Werk und die Kabarettbühne fifty-fifty. Inzwischen konnte jedoch der Kreis der Partner ausgeweitet werden. So sind beispielsweise "Die lange Nacht der Wissenschaften" und das Fernwehfestival dabei, genauso wie der gemeinnützige Theater- und Konzertverein Erlangen (GVE), Klassik am See, das Concertbüro Franken und das Kindermuseum Nürnberg, aber auch die Ice Tigers und Greuther Fürth. Nur Kinos, bedauert Juliane Siegel, die Leiterin der KulturTafel, würden sich bisher nicht beteiligen,obwohl das Interesse an Kinokarten besonders groß sei.

Dass aber Karten für kulturelle Bereiche, welche generell weniger die große Menge ansprechen, ebenfalls dankbare Abnehmer finden, verdeutlicht eine Nutzerin der KulturTafel. Elvira T. (Name geändert) geht mit ihren Kindern ins Theater und in Konzerte. Immer schon habe sie davon geträumt, einmal eine Oper zu sehen, erzählt sie. Die dreifache Mutter ist alleinerziehend, ihr ältester Sohn ist behindert und muss beatmet werden. Rund um die Uhr betreut sie ihn, "ich war überlastet, hatte keine Freude mehr", sagt sie. "Wenn man rauskommt, Musik hört oder ein Theaterstück sieht, tut das so gut." Sie sagt auch: "Das ist für mich wie Psychotherapie — etwas für die Seele." Ihr Jüngster (16) gehe inzwischen auch schon selbst ins Theater und nehme seine Freunde mit. "Früher", sagt sie, "ging er immer nur in die Geschäfte. Ich freue mich so, wenn die Kinder nicht etwas Schlechtes lernen, sondern Gutes."

Klar wird bei dem Gespräch auch, welche Hürden mitunter überwunden werden müssen, bis jemand wie Elvira T. sich an die KulturTafel wendet. Ihr trinkender und gewalttätiger Mann, von dem sie inzwischen geschieden ist, habe ihr immer gesagt, wenn sie sich für Kulturveranstaltungen interessierte: "Dort gehörst du nicht hin. Das machst du nicht. Das ist nichts für arme Leute." Und ihre Kinder hatten zunächst Bedenken, als sie sich für die KulturTafel anmeldete, weil sie sich schämten, arm zu sein. Inzwischen wissen sie jedoch, dass es "ganz normale Karten sind, mit denen man nicht auffällt", erklärt Elvira T.

"Wir fordern zum Hinschauen auf, wenn es um das Thema Armut geht, und bitten um Spenden für die KulturTafel, um Teilhabe, Chancengleichheit und den Zugang zum sozialen und gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen", heißt es von Seiten der Diakonie Erlangen. Mit der KulturTafel setze man sich für die Entstigmatisierung armer Kinder, Frauen und Männer ein. Die Spenden werden für den laufenden Betrieb der KulturTafel benötigt und auch, weil für manche Kulturbereiche bisher noch Karten zugekauft werden müssen.

Spendenkonto: Diakonie Erlangen, IBAN: DE46 7635 0000 0060 0258 74, BIC: BYLADEM1ERH, Sparkasse Erlangen, Stichwort: Kultur für alle.

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