Erlanger radelte durch die Ukraine

1.11.2014, 06:00 Uhr
Erlanger radelte durch die Ukraine

© privat

Ein Kriegsfilm läuft im Staatsfernsehen, russische Soldaten marschieren durch das Bild. Über ihren Köpfen prangt in großen Buchstaben: Terroristen. Auf dem Titelblatt einer ukrainischen Zeitung ist Putin abgebildet – mit der Maske von Hannibal Lecter vor seinem Gesicht. „Überall gibt es Propaganda. Die Russen werden als das Böse dargestellt, die Deutschen und der Westen sind das Gute. So denkt jeder“, erzählt der 53-jährige Stefan Bauer.

Der Erlanger radelte zusammen mit seinem Freund Matthias Herrmann aus dem Steigerwald von der Ungarischen Grenze nach Czernowitz in die Westukraine. Bei ihrer dreiwöchigen Tour legten sie zirka 1200 Kilometer zurück. Sie mieden die Großstädte und fuhren auf abgelegenen Straßen durch die Dörfer. Die Einwohner empfingen die Deutschen mit offenen Armen. Es wurde reichlich Essen aufgetischt, Feste gefeiert und das Ehebett geräumt: Die zwei Radler waren gern gesehene Gäste.

Kein Wunder, denn die Westukraine setzen auf Deutschland ihre ganze Hoffnung: „Wir wurden gefragt, wann Angela Merkel mit ihren Truppen einmarschiert und sie befreit“, erzählt Bauer. Es herrscht Aufbruchstimmung im Land, die jungen Menschen hält nichts mehr in ihrer Heimat. Sie lernen Deutsch — lieber als Englisch oder Spanisch. Ein Leben in Deutschland wünschen sich viele.

Die Verzweiflung und Angst im Westen der Ukraine seien groß, schildert der Erlanger. Die Menschen hätten viel in den Tourismus investiert und Hotels gebaut. Jetzt fragen sie sich, warum keiner bei ihnen Urlaub macht. In der Westukraine wäre die Lage doch entspannt, sagen sie. Doch dass dieser Eindruck in Deutschland nicht ankommt, liegt beispielsweise an Ausschreitungen in Lemberg, wo es regelmäßig Schießereien und Demonstrationen gibt.

Die Armut wächst

Still ist es im Westen der Ukraine also nicht. Die beiden Radler bekamen von den Ausschreitungen nur wenig mit, auf dem Land war es ruhig. Hauptsächlich durch die Medien und am Straßenbild merkten sie, dass Krieg herrscht. Männer trafen sie selten, denn die müssen die Armee in Kiew unterstützen.

Während die Westukrainer auf weitere Unterstützung der EU warten, wird die Armut immer größer. Herrmann und Bauer waren schon vor einem Jahr in der Ukraine. Veränderungen zu damals und heute sehen sie deutlich: „Die Wirtschaftslage ist katastrophal. Die Preise sind um das Doppelte gestiegen, an Lebensmittel oder Getränke kommt man kaum mehr ran“, sagt der Erlanger Sozialpädagoge.

Eigentlich mangelt es der Westukraine nicht an Feldern zum Bewirtschaften. Doch die Bauern haben entweder kein Geld oder die Böden sind verseucht. Und es gibt ein weiteres Problem: Korruption. Bei ihrer Ausreise haben die zwei Freunde sie selbst erlebt. Nach drei Stunden genauer Durchsuchung, fanden die Beamten ein Pfefferspray.

Der eine Beamte wollte sie schon gehen lassen, der andere forderte dann aber 50 Euro von ihnen. Auch die Ukrainer haben täglich mit solchen Hürden zu kämpfen. Bei Behörden würde beispielsweise nichts ohne ein bisschen Kleingeld vorangehen, schildert Bauer.

„In der Ukraine herrscht sicherlich keine Demokratie. Sobald ein großer schwarzer Wagen auftaucht, redet keiner mehr“, erzählt er.

Für das nächste Jahr haben Matthias Herrmann und Stefan Bauer wieder eine Radtour durch die Ukraine geplant. Es soll noch tiefer ins Landesinnere gehen. Allerdings nur, wenn die Konflikte sich bis dahin entspannt haben.

2 Kommentare