Erlanger Studie: Athleten sind oft süchtig nach Sport

13.6.2013, 12:02 Uhr
Triathleten, Läufer und Radfahrer sind prädestiniert, an Sportsucht zu erkranken.

© Archiv / Kiefner Triathleten, Läufer und Radfahrer sind prädestiniert, an Sportsucht zu erkranken.

Sie üben Sport geradezu zwanghaft aus und verspüren den Drang, sich täglich zu bewegen: Sportsüchtige kennen kaum Grenzen. Sie riskieren nicht nur, die Kontrolle zu verlieren, sondern setzen auch ihre eigene Gesundheit aufs Spiel - Frauen wie Männer.

„Immerhin 4,5 Prozent der untersuchten Sportler waren suchtgefährdet“, erläutert einer der Verfasser, der Erlanger Sportpsychologe Heiko Ziemainz. Besonders gefährdet seien jüngere Athleten, Triathleten und jene, die sich besonders oft körperlich ertüchtigen.

Die höchsten Gefährdungswerte wiesen jedoch Sportler auf, die bereits jahrelang trainieren. Mit ihrem Sportprogramm verfolgten die Betroffenen meist ein und dasselbe Ziel: „eine positive Stimmung aufrechtzuerhalten“.

Sportsuchtgefährdung scheine auch in Zusammenhang mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen zu stehen. Als Gründe für ein exzessives Sporttreiben nennt er zum Beispiel ein negatives Selbstwertgefühl, Zwanghaftigkeit oder den Hang zum Perfektionismus.

Gegenüber früheren wissenschaftlichen Untersuchungen differenzieren die Autoren der Erlanger Studie erstmals zwischen Sportsucht und der Gefährdung. Sportsüchtige missachten körperliche Signale und laufen auch trotz höllischer Schmerzen weiter. „Diese Menschen müssen zwingend therapiert werden“, rät Heiko Ziemainz.

Ein anderes Indiz für Sportsucht ist der soziale Verfall bei Ausdauersportlern: „Sie tolerieren etwa, dass ihre Ehe in die Brüche geht oder dass sie ihr soziales Umfeld nicht mehr wahrnehmen, weil sie immer mehr Sport brauchen.“ Der Ausdauersport wird für Sportsüchtige zum zentralen Motiv: „Das Verhalten kontrolliert die Person, nicht umgekehrt.“

Ähnlich wie Raucher oder Alkoholiker leiden sie unter Entzugserscheinungen. Sie befinden sich etwa in einer depressiven Stimmung, verspüren innere Unruhe oder berichten von Schlaflosigkeit.

Anders verhalten sich jene Ausdauersportler, die als gefährdet eingestuft werden. „Diese haben die Kontrolle noch nicht verloren und achten noch auf körperliche Symptome“, erklärt Ziemainz. Die Grenzen zwischen dem normalen ehrgeizigen Sportler und dem gefährdeten seien jedoch nur schwer exakt zu ziehen.

Mit Esssucht gepaart

Aber nicht allein Ehrgeiz treibt viele Sportler zu fragwürdigen Höchstleistungen an. Auch Gewicht und Figur spielen eine enorme Rolle. Sportsucht beziehungsweise die Gefahr, an ihr zu erkranken, trete nämlich häufig in Verbindung mit Essstörungen auf. „Die Sporttreibenden möchten Figur oder Gewicht kontrollieren oder verändern“, sagt Ziemainz. Besonders begünstigt werde die Entwicklung einer Sportsucht, wenn etwa junge Frauen mit ihrer Figur unzufrieden sind, obwohl sie einen normalen Body-Mass-Index haben.

Psychotherapie nötig

Sportsucht würde allerdings selbst in Fachkreisen noch oft verkannt: „Das Krankheitsbild taucht in den Diagnosehandbüchern der Klinischen Psychologie nicht auf“, bedauert Sportpsychologe Heiko Ziemainz. Dennoch dürfe die Gefährdung nicht unterschätzt werden.

Während Sportsüchtige therapeutisch behandelt werden müssten, könnten Sportsuchtgefährdete zunächst mit Informationen für das Thema sensibilisiert werden. Außerdem rät Heiko Ziemainz Betroffenen, ihr Verhalten zu ändern und das Trainingspensum zu reduzieren.

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