Erregte Debatten nach dem Attentat auf Rudi Dutschke

11.4.2018, 18:30 Uhr
Erregte Debatten nach dem Attentat auf Rudi Dutschke

© Foto: Stadtarchiv/Sammlung Stümpel

Eine stark besuchte Diskussionsveranstaltung, ein sogenanntes "teach in", war die stärkste Reaktion der Erlanger Studentenschaft auf das Attentat auf den (keineswegs selbsternannten) Studentenführer des wortführenden Sozialistischen Studentenbundes (SDS), der als kluger theoretischer Kopf und wortgewaltiger Redner galt. Dutschke führte damit eine Bewegung an, die sich zuerst der Reform der Universitäten annahm, dann aber auch "politisch" wurde und gegen Alt-Nazis im deutschen Politikbetrieb, gegen den Vietnamkrieg und schließlich gegen "das kapitalistische System" generell kämpfte.

Im Juni zuvor hatte der Tod durch eine Berliner Polizeikugel des friedlich gegen einen Schah-Besuch demonstrierenden Studenten Benno Ohnesorg weit über 1000 Studenten und etliche Professoren zu einem Trauerzug durch die Erlanger Innenstadt bewogen, vor dem Kollegienhaus hatte der damals noch Christlich-demokratisch orientierte Allgemeine Studentenausschuss (AStA) einen Kranz niedergelegt.

Den der Trauer folgenden Protesten schlossen sich auch Professorinnen und Professoren an, so auch der Historiker Karl-Heinz Ruffmann, seit 1962 ordentlicher Professor am neu geschaffenen Lehrstuhl für osteuropäische Geschichte der Universität Erlangen: "Wir sind empört über die brutale Unterdrückung demokratischer Grundrechte durch den Berliner Senat und seine Polizeiorgane."

Das Attentat auf Rudi Dutschke war auch eine Folge der zunehmend aufgeheizten Stimmung durch Presseorgane aus dem Hause Springer. Vor allem die Bild–Zeitung hatte aufgerufen, die Wiederherstellung der angeblich gefährdeten Ordnung nicht allein den staatlichen Organen zu überlassen. Als der junge Hilfsarbeiter Josef Bachmann vor dem SDS-Büro am West-Berliner Kurfürstendamm Rudi Dutschke mit zwei Kopfschüssen niederstreckte, da "schoss Bild mit", wie es später auch in der Presse hieß.

Die Ruhe an der Universität Erlangen-Nürnberg hatte auch mit dem Zeitpunkt des Attentats zu tun. Der damals bereits im (eher links-liberal orientierten) AStA wirkende spätere AStA-Vorsitzende Karl-Heinz Stammberger erlebte das Ereignis in den Oster-Ferien im Elternhaus in Oberfranken, in Erlangen selbst blieb es am Karfreitag ebenso wie an den Osterfeiertagen ruhig. Die Polizei meldete lediglich in ihrem Bericht nach den Feiertagen von aufgesprühten Protestparolen im Stadtgebiet und an Universitätsgebäuden.

Erst am 22. April berichteten Erlanger Tagblatt/Erlanger Nachrichten von einem überfüllten "teach-in" im Hörsaal der Organischen Chemie, das auch von Uni-Rektor Prof. Johannes Herrmann (dem Vater des heutigen bayerischen Innenministers Joachim Herrmann, d. Red.) und vom Erlanger SPD-Vorsitzenden Helmut Ritzer besucht worden war.

Dabei erläuterten für den Erlanger SDS dessen Sprecher Dieter Runze und Arnheim Neusüss die Zielsetzung der 1961 aus der SPD ausgeschlossenen Studentenverbandes. Neusüss und der linke Hochschullehrer Elmar Altvater rechneten mit der Gewalt der "bürgerlichen Autoritäten" ab. Neusüss’ Schlusswort ist in dem Pressebericht überliefert: "Wir leben in einer gewalttätigen Gesellschaft. Es ist eine Gewalt, die leise ist, nicht spektakulär. Unsere Gewalt ist
ohnmächtig und wird in absehbarer Zeit nicht so mächtig sein, dass sie angreifen kann. Aber sie ist spektakulär."

Noch in diesem Jahr und im Jahr darauf kam es in Erlangen zu großen Demonstrationen gegen die Notstandsgesetze und den Vietnam-Krieg.

Der Jahrestag des Dutschke-Attentats ist der Auftakt zu einer Artikel-Serie über die "68er" in Erlangen. Diese widmet sich den Vorgängen an der Universität, beleuchtet aber auch gesellschaftliche Phänomene, die sich aus der Uni heraus entwickeln. Schließlich werden auch Zeitzeugen ihre Erfahrungen mit dieser Zeit des Umbruchs schildern.

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