Feinste Sommernachtstraumfinessen

19.9.2017, 19:19 Uhr

Zunächst zur Aufgabe: Wenn ein Streichquartett sehr gut spielt, spielen dann zwei Streichquartette doppelt so gut? Diese reizvolle Gleichung lösen das Armida Quartett und das Tesla Quartett auf spannende, brillante, fulminante Weise. Die Musik, die Interpretationen dieser beiden hochkarätigen Streichquartettformationen erzeugen im Publikum das sprichwörtliche Champagnerprickeln – ganz ohne ein Glas des edlen Schaumweins in der Hand!

Mit jeweils jugendlichen Kompositionen beginnt und endet dieser bemerkenswerte, aufregende Abend. Als spannende Groteske, exaltiert und in Aufruhr, finden die beiden jungen Quartette als aufrührerisches Oktett in Dmitri Schostakowitschs "Präludium" und "Scherzo" für acht Streicher, op. 11, ein Werk des damals 18-Jährigen, zusammen. Schon hier wird der Namensgeber des Tesla-Quartetts, der Physiker und Erfinder Nikola Tesla, in seiner Formulierung von den "untrennbaren Bindungen der Sterne" spürbar, hörbar. Es formt sich ein Oktett aus zwei Quartetten, homogen im Wollen, im Ausdruck um Tristesse und Wildheit.

Danach haben beide Quartette die Gelegenheit, sich als Einzelformation zu beweisen: Das Tesla Quartett macht dies mit Joseph Haydns f-Moll-Streichquartett, op. 20 Nr. 5. Die viel zitierte "Unterhaltung von vier vernünftigen Leuten" gerät hier intim, weich volltönend, affektbetont und präzise. Allerliebst umgarnt ist das von Michelle Lie (Violine) filigran umspielte "Siciliano". Ganz leise, fast flageolettartig, unprätentiös huscht die Final-Fuge dahin, erst am Schluss wird dynamische Kraft demonstriert. Es ist eine intellektuelle, moderne interpretatorische Erweiterung des braven Streichquartett-Vaters Haydn!

Zugespitzte Interpretation

Leichter und doch unsagbar schwer hat es da das Armida Quartett mit seiner Wahl von Ludwig van Beethovens berühmt-berüchtigter "Großer Fuge". Das wirft in der aufgekratzt-scharf zugespitzten Interpretation der fabelhaften Armida-Streicher die Frage auf, wer moderner ist: Schostakowitsch oder Beethoven? Spannend ist das, atemberaubend in der kontrapunktischen Themenschärfe, den divergierenden Abschnitten dieses grandios pathetischen Beethoven-Kosmos, der sogar eine heitere Attitüde zum Schluss anlegt. "Armida" zeigt intensivste künstlerische und musikalische Präsenz, Qualitäten im Sinne von Nikola Teslas unsichtbaren und dennoch unglaublich starken Kräften, durch die dieses großartige Quartett völlig in seinen Bann zieht. Als fulminantes Gemeinschaftsprojekt zelebrieren dann "Armida" und "Tesla" zusammen Felix Mendelssohn Bartholdys jugendlichen Geniestreich, das Oktett op 20. Besser, mitreißender geht’s nicht! Der erste Satz war im "con fuoco" ein hübsches züngelndes Feuer mit herrlichster Entfaltungsfreude. Daneben stehen fahle, traurige Farben und dann wieder jugendlicher Verve. Der einsetzende Zwischenbeifall entspringt spontaner Begeisterung im Publikum. Dramatik und Innerlichkeit mit verhaltener Choralsphäre leuchtet im "Andante" auf. Den Superlativ des Scherzos, "leggerissimo" überträgt das Oktett, das nach dieser Darbietung eigentlich "Tesmida" heißen könnte, mit feinsten Sommernachtstraumfinessen in vollendete elfenhafte Virtuosität. Diese findet einen weiteren Gipfelpunkt in der fugierten Rastlosigkeit des drängenden Finalsatzes. Alles ist durchhörbar und exzessiv im Ausdruck, kurz voller Lebendigkeit und künstlerischer Perfektion.

Das Publikum ist begeistert. Die Lösung der eingangs gestellten Gleichung lautet: Zwei Ensembles wie das Armida- und Tesla-Quartett spielen – auch in der Zugabe des Schostakowitsch-Scherzos achtfach potenziert – exorbitant gut, mitreißend, durch den Stern der Musik auf’s Innigste verbunden.

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