Für „Sternenkinder“ brennt ein helles Licht

23.12.2010, 22:51 Uhr
Für „Sternenkinder“ brennt ein helles Licht

© Bernd Böhner

In Lucas kleinem Fotoalbum gibt es nur wenige Fotos. Eines zeigt ihn in den Armen seiner Eltern und ein anderes erinnert an seine Hebamme. Das letzte Foto auf den wenigen Seiten zeigt seinen Grabstein, einen kleinen Stern aus Granit, der seinen Namen trägt. Es wird keine weiteren Fotos von Luca geben. Keine Aufnahmen heiterer Kindergeburtstage oder fröhlicher Weihnachtsfeste, keine Fotos vom ersten Zähnchen, dem Piratenkostüm oder der großen Schultüte.

Luca kam in der 35. Schwangerschaftswoche aufgrund eines Herzfehlers durch einen Notkaiserschnitt zur Welt. Ohne den obligatorischen Schrei aus dem Kreißsaal, auf den Eltern so vergeblich warten. Luca war eine Totgeburt, ein so genanntes Sternenkind. Rund 20 Prozent aller Schwangerschaften enden nicht mit der Geburt eines lebenden Kindes, so medizinische Erhebungen.

Exakte Zahlen gibt es nicht. Unterschieden wird hier zwischen Totgeborenen, deren Geburtsgewicht über 500 Gramm liegt und Fehlgeburten unter dieser Gewichtsgrenze, für die es keine standesamtliche Meldepflicht gibt und die somit auch in keiner offiziellen Statistik auftauchen.

Trauer kennt kein Gewicht

Die Trauer verwaister Mütter und Väter dagegen unterscheidet nicht nach Gewicht. „Ein Kind zu verlieren ist eine Erfahrung, die niemand nachvollziehen kann, der es nicht selbst erlebt hat“, so Elena S. über den Tod ihres kleinen Sohnes. Oft ein Leben lang ringen Eltern mit ihrem Verlust und der radikalen Veränderung, die dieser mit sich bringt.

Es gibt wissenschaftliche Modelle, die die Zeit der Trauer in verschiedene Phasen einteilen. „Wesentlich verbindlicher ist für uns der trauernde Mensch, der uns gerade gegenüber sitzt, denn so individuell jeder einzelne ist, so einzigartig ist er auch in seiner Trauer“, sagt Ingrid Modlmayr, Hospizhelferin und Trauerbegleiterin des Hospiz Vereins Erlangen und dort Leiterin der Trauergruppe „Eltern der Sternenkinder“.

Aufgrund ihres eigenen Verlustes eines Kindes ist sie mit den Gefühlen, der Sprache und dem Leid Betroffener vertraut. In dieser Gruppe, die sich speziell an Väter und Mütter wendet, die ein Kind während der Schwangerschaft, während oder nach der Geburt oder durch einen medizinisch verursachten Abbruch verloren haben, finden Betroffene Raum, in dem ihre Trauer zugelassen werden darf.

„Verwaiste Eltern werden in ihrer Umgebung häufig nicht auf ihr verstorbenes Kind angesprochen“ so Magdalene Schuster, ebenfalls Leiterin dieser Gruppe und selbst Mutter eines Sternenkindes. „Man erwartet, dass die Trauernden nach einer angemessenen Frist wieder funktionieren und sich der Normalität des Alltags stellen“, berichtet Magdalene Schuster weiter. Der lange Trauerprozess verwaister Eltern wird im Kreis der Verwandten und Freunde, aber auch im Arbeitsumfeld tabuisiert. Für betroffene Eltern entsteht so der Eindruck, ihre Kinder seien in Vergessenheit geraten.

Symbole gegen das Vergessen

Gerade der Dezember, in dem Kinder ganz besonders in den Mittelpunkt rücken und sich alle auf das Fest der Geburt Christi freuen, ist für viele trauernde Eltern eine ganz besonders schwierige Zeit. Zahlreiche Aktionen und Gottesdienste setzen gerade in der Vorweihnachtszeit Symbole gegen das Vergessen verstorbener Kinder.

Traditionell am zweiten Sonntag im Dezember findet der 1996 erstmals initiierte Weltgedenktag verstorbener Kinder, das sogenannte „worldwide candle lighting“ (Weltweites Kerzenleuchten) statt. Überall auf der Erde werden um 19 Uhr Kerzen angezündet. Durch die unterschiedlichen Zeitzonen ergibt sich so eine symbolische Lichterwelle, die in 24 Stunden einmal um die ganze Erde wandert.

„Das Bild eines Lichtes, das um die Welt geht, und das Gefühl, mit diesem Ritual nicht alleine, sondern mit allen trauernden Eltern der Stadt, des Landes und der ganzen Welt verbunden zu sein, ist unglaublich tröstlich“, ist Ingrid Modlmayrs Erfahrung. Raum für Trauer und Erinnerung bieten auch regionale Lichtergottesdienste an den Adventssonntagen, in denen der Name jedes einzelnen verstorbenen Kindes anwesender Eltern vorgelesen wird und für das eine Kerze angezündet und auf den Altar gestellt wird.

„In dieser Gemeinschaft mit anderen Familien zu trauern, bedeutet, dass jede der dort versammelten Familien um ein Kind, und damit um unerfüllte Träume, um eine verlorene Zukunft trauert und so das eigene Schicksal versteht und teilt“, sagt Elena S.

An den Weihnachtsfeiertagen aber wird Elena S. mit ihrer Trauer wieder alleine sein. Sie selbst weiß, dass es für sie kein Weihnachtsfest mehr geben wird, so wie es einmal war. Denn eines wird ihr ein Leben lang fehlen: Luca.

Informationen zu den Trauergruppen für verwaiste Eltern und Eltern von Sternenkinder unter: info@hospizverein-erlangen.de, Tel. 09131/ 94056 - 0