Gebärdensprache-Dolmetscher beim Poetenfest in Erlangen

30.8.2015, 19:56 Uhr
Gebärdensprache-Dolmetscher beim Poetenfest in Erlangen

© Foto: Tsimplostefanaki

Frau Hempel, Frau Lambert, Sie haben jetzt mehr als eine Stunde simultan übersetzt. Erschöpft?

Claudia Hempel: Es ist anstrengend, ja. Sobald eine Veranstaltung länger als eine Stunde dauert, sind wir zu zweit. Und hier haben wir nicht nur einen Redner, sondern eine Diskussionsrunde.

Bettina Lambert: Wenn alle durcheinander reden, bekommen wir Probleme. Aber die Gesprächskultur hier war sehr diszipliniert.

Was ist so schwierig daran, in Gebärdensprache zu dolmetschen?

Hempel: Diese Sprache hat eine ganz andere Grammatik, eine andere Satzstruktur. Beim Übersetzen ist viel Kopfarbeit nötig, man muss ständig mitdenken.

Einfach Wort für Wort nacherzählen geht also nicht?

Hempel: Nein. Die Pointe in einem Satz kommt an einer anderen Stelle.

Lambert: Die Gebärdensprache ist sehr facettenreich. Wir übersetzen nicht unsere eigenen Texte. Deshalb versuchen wir, auch die Art, wie etwas gesagt wurde, so authentisch wie möglich rüberzubringen. Gute Vorbereitung ist deshalb wichtig für unsere Arbeit.

Wie läuft das ab? Haben Sie vorab schon erfahren, was die Podiumsgäste Rebecca Harms, Henryk Jarczyk, Alexander S. Kritikos und Robert Menasse oder Moderator Christoph Schwennicke sagen wollen?

Lambert: Durch das Programm konnten wir uns auf das Thema gut einstellen. Recherche im Internet gehört auch dazu. Und wir müssen allgemein auf dem Laufenden sein.

Hempel: Wenn von Grexit die Rede ist, sollten wir also schon wissen, worum es eigentlich geht.

Lambert: Manches ergibt sich aber auch aus dem Kontext heraus. Hier haben die Podiumsgäste zum Beispiel über das Parlament in Polen geredet, da wusste ich vorher nicht, dass dort eine Kammer Sejm heißt.

Eine Diskussion lebt davon, dass sich die Gesprächspartner abwechseln. Wie machen Sie das beim Dolmetschen?

Lambert: Den Rollenwechsel kündige ich mit einem Handzeichen an, dann drehe ich mich ein wenig zur Seite und schon geht’s weiter.

Wie wechseln Sie beide sich ab?

Hempel: Nach zehn bis 15 Minuten tauschen wir, sobald es im Kontext passt. Also zum Beispiel wenn ein neues Themenfeld angeschnitten wird oder der Redner eine längere Pause macht.

Da müssen Sie aber gut aufeinander eingestellt sein . . .

Lambert: Für uns war es das erste Mal zusammen. Aber Erfahrung gehört natürlich dazu.

Wir lange sind Sie denn schon Gebärdensprache-Dolmetscher?
Lambert: Seit einem Jahr. Zuvor habe ich vier Jahre Gebärdensprachdolmetschen in Zwickau studiert.

Man muss das studieren?

Hempel: Mittlerweile ja. Dadurch sind die Dolmetscher perfekt geschult. Früher aber gab es diese Ausbildung noch gar nicht.

Wie sind Sie dazu gekommen?

Hempel: Meine Eltern sind gehörlos. Gebärdensprache ist also wie meine Muttersprache. Seit 20 Jahren arbeite ich als Übersetzerin.

Für das Erlanger Poetenfest war es die erste Veranstaltung mit Gebärdensprache-Dolmetschern. Müsste es nicht noch viel mehr geben?

Hempel: Natürlich. Es wird zu wenig gemacht. Für die Gehörlosen geht es um Teilhabe. Über Inklusion wird immer viel geredet, aber wenig umgesetzt. Man kann alles machen, es darf halt nichts kosten. Sobald es um wichtige Informationen geht, sollte im Fernsehen zum Beispiel alles übersetzt werden.

Lambert: Ist das nicht so, bleiben viele Schwerhörige und Gehörlose schlichtweg außen vor.

 

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