Gundel-Häuser: Die Kunst, eine Bruchbude zu erhalten

29.10.2013, 07:00 Uhr
Gundel-Häuser: Die Kunst, eine Bruchbude zu erhalten

© Bernd Böhner

Der Fachmann des Landesamtes für Denkmalpflege war sichtlich erschüttert: So schlecht hatte sich Karl Gattinger, Leiter der Inventarisierung in Mittelfranken im Landesamt, die „Inneren Werte“ der sogenannten Gundel-Häuser in der Goethestraße offenbar nicht vorgestellt. Von den eigentlich erwartbaren Innenräumen, die einstmals die Struktur dieser Häuser zwischen dem denkmalgeschützten Gebäude Goethestraße 19 und der Richard-Wagner-Straße ausmachten, hatte bereits der frühere Besitzer, der Betreiber des Handelshauses Gundel, wenig übrig gelassen — offenbar dienten die Häuser bis zur Richard-Wagner-Straße als Lager für das eigentliche (abgerissene) Kaufhaus Goethestraße 21.

Mittlerweile ist auch von außen zu besichtigen, was bis dato nur der Blick in die Räume freigab: Die als Fachwerk ausgebildeten Wände sind mit ausgesprochen dürftigem Baumaterial aufgefüllt, von der alten Raumstruktur ist so gut wie nichts mehr zu erkennen, die einstige Holz- und Strohputzdecke (im ersten Stock der Boden) wurde durch eine — vermeintlich stabilere — Stahlkonstruktion ersetzt und die alten Wände komplett herausgerissen.

Gutachten stehen aus

Angesichts dieses baulichen Desasters geht man im städtischen Bau- und Planungsreferat nicht davon aus, dass die derzeitige Bausubstanz zu erhalten (oder auch nur erhaltenswert) wäre, will aber „selbstverständlich die noch ausstehende Stellungnahme des Landesamtes abwarten“, wie Baureferent Josef Weber sagt. Diese müsste in den nächsten Tagen eingehen — immerhin ist der Ortstermin von Karl Gattinger, seiner Assistentin Christine Aghegian, der Leiterin der (städtischen) Unteren Denkmalschutzbehörde, Christine Müller, und des Architekten Leif Seissl von ssp-Architekten in Tennenlohe schon vier Wochen her.

Aber auch der Bauherr selbst ist nicht untätig geblieben und hat bei einem vom Landesamt für Denkmalpflege anerkannten unabhängigen Baufachmann ein Gutachten in Auftrag gegeben, das wiederum dem Landesamt zugeleitet wird. Erst wenn sich alle Stellen ausgetauscht haben, wird es ein weiteres Gespräch geben, wie der Bauherr weiter vorgehen kann und soll — abgesehen davon, dass er bereits Pläne eingereicht hatte, die sowohl im Stadtrat als auch im Baureferat auf große Zustimmung stießen.

Landesamt-Mitarbeiter Karl Gattinger, seine Assistentin Christine Aghegian (l.) und die amtliche Denkmalschützerin Christine Müller (halb verdeckt) bei der Besichtigung der "Gundel-Häuser".

Landesamt-Mitarbeiter Karl Gattinger, seine Assistentin Christine Aghegian (l.) und die amtliche Denkmalschützerin Christine Müller (halb verdeckt) bei der Besichtigung der "Gundel-Häuser". © Bernd Böhner

Die ursprünglichen Pläne des Bauherrn, der ZBI Zentral Boden Immobilien AG aus Erlangen, die teils unter Denkmal-, teils unter Ensembleschutz stehenden Gebäude komplett zu entkernen und zu modernisieren wurden durch den prekären Bauzustand in Frage gestellt, man hätte sich vom Sanierungsgedanken am liebsten verabschiedet, die Gebäude komplett abgerissen und neu gebaut.

Die dürftige Bausubstanz bestätigt nach eigener Besichtigung der Baustelle auch Bau- und Planungsreferent Josef Weber. „Die erwartete Bausubstanz ist zum Teil gar nicht mehr erhalten“, hat er beobachtet, „und selbst dort, wo sie noch erhalten ist und auch als erhaltenswert erschien, ist sie zum Teil sehr schlecht“.

Aus der Sicht des Bau- und Planungsreferenten werden sowohl ein Neubau oder eine Sanierung der Häuser der Stadtgestalt in der Goethestraße besser gerecht, als der bisherige Zustand, bei dem schlecht verputztes Fachwerk und viel zu große (Schau-)Fenster das Gesamtbild störten. Josef Weber: „Die Anmutung der historischen Goethestraße bleibt auf jeden Fall erhalten.“

Das vorsichtige Vorgehen von Baureferat und Bauherr hat aber auch gute Gründe. In Erlangen hat der Abriss historischer Bausubstanz seit den 60er Jahren eine lange (und schlechte) Tradition.

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