Gut leben in Erlangen, aber auch behütet sterben

10.2.2018, 11:30 Uhr
Gut leben in Erlangen, aber auch behütet sterben

© F.: Werner Krueper/epd

Über das neue Netzwerk Hospiz- & Palliativ-Versorgung (NetHPV) Erlangen und Erlangen-Höchstadt sprachen die EN mit Ursula Diezel. Sie hat die pflegerische Leitung von Palliavita (Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung SAPV) und ist Koordinatorin des Hospizvereins Erlangen.

Frau Diezel, was bedeutet das neue Netzwerk für schwer kranke Menschen?

Ursula Diezel: Dazu muss ich etwas ausholen. 2015 haben wir das Hospiz- und Palliativgesetz bekommen. Entstanden ist es als Antwort auf die Sterbehilfe-Debatte. Es war deutlich geworden, dass es Alternativen zur Sterbehilfe geben muss. Dieses Gesetz ist verbindlich für alle, die in der Palliativversorgung aktiv und ein Anlaufpunkt für sterbenskranke Menschen sind.

Es ist darin auch festgeschrieben, dass diese Institutionen erreichbar sein müssen für die Hilfesuchenden. Durch das Netzwerk soll — egal, an welchem Punkt der kranke Mensch ist und welche Institution er braucht — gewährleistet werden, dass er die bestmögliche Hilfe bekommt, und zwar flächendeckend in Stadt und Landkreis.

Die Akteure des Netzwerks gibt es ja schon länger. Wie war bisher die Zusammenarbeit?

Diezel: In der Stadt Erlangen und im Landkreis Erlangen-Höchstadt sind schon sehr früh Versorgungseinrichtungen für Schwerstkranke aufgebaut worden. Die sind ohnehin schon immer untereinander in Kontakt. Das heißt, der Netzwerk-Gedanke wurde bisher schon gelebt. Allerdings ist das von den aktuellen Akteuren abhängig. Das tatsächliche Netzwerk gewährleistet nun, dass dies institutionalisiert wird und auch so bleibt, wenn die Akteure sich ändern. Und das Besondere ist außerdem, dass sowohl Stadt und Landkreis im Netzwerk mit drin sind. Es ist ihnen ein wichtiges Anliegen, die Hospiz- und Palliativversorgung zu fördern und sich dafür einzusetzen, dass man in der Stadt Erlangen und im Landkreis Erlangen-Höchstadt nicht nur gut leben, sondern auch behütet sterben kann.

Um noch einmal auf die bisherigen, doch sehr unterschiedlichen Akteure — wie die Palliativabteilung des Uniklinikums und die Hospizvereine — zu sprechen zu kommen: Stehen diese gleichwertig nebeneinander?

Diezel: Nachdem sich 2010 sowohl die ambulante als auch die palliative Versorgung in Stadt und Landkreis etabliert hat, war den Akteuren klar, dass man miteinander reden muss. Es gab die Bereitschaft, vom Wissen der anderen zu profitieren und eigenes Wissen zur Verfügung zu stellen. Alle Partner reden auf Augenhöhe miteinander. Selbstverständlich ist das aber eigentlich nicht. Man hat hauptamtliche und ehrenamtliche Akteure nebeneinander, da ist schnell mal ein Gefälle da.

Gut leben in Erlangen, aber auch behütet sterben

Was hat sich das Netzwerk für die Zukunft vorgenommen?

Diezel: Wir werden versuchen, das Netzwerk zu erweitern. So könnte es beispielsweise sein, dass Pflegeheime neu hinzukommen, die eine gute Palliativversorgung anbieten.

Das Thema Sterben wurde lang an den Rand gedrängt, inzwischen hat sich einiges geändert. Muss sich noch mehr ändern?

Diezel: Die Menschen wünschen sich, wenn sie denn sterben müssen, dass das friedlich und würdevoll geschehen kann. Dafür, dass dies möglich wird, sind zuerst die Hospizvereine angetreten. Daneben ging die Entwicklung dahin, dass eine gute medizinische und pflegerische Betreuung entstanden ist. Das hat schon vielen Menschen Unterstützung gebracht.

Durch die Entwicklung unserer Gesellschaft, in der es zunehmend mehr ältere Menschen und auch Alleinstehende gibt, wird der Bedarf im Palliativbereich allerdings noch weiter steigen. Das heißt, die Angebote müssen noch weiter ausgeweitet werden.

Haben Sie Angst vor dem Sterben?

Die Misere in der Pflege ist offensichtlich. Inwiefern wirkt sich das auch auf die Palliativversorgung aus?

Diezel: Im Hospiz- und Palliativbereich arbeiten viele Pflegekräfte. Allerdings sind wir noch eine Nische für Pflegekräfte und haben keine Personalprobleme. Trotzdem ist klar, dass sich der Pflegenotstand früher oder später auch auf die Palliativversorgung auswirken wird. Es ist also auch klar, dass was passieren muss.

Sie selbst begleiten seit vielen Jahren sterbende Menschen und deren Angehörige. Belastet Sie das?

Diezel: Es ist eine professionelle Beziehung, da ist Distanz wichtig, dadurch wird das erträglich. Nur wenn ich nicht selbst betroffen bin, kann ich auch helfen. Erträglich wird es auch durch das Wissen, dass ich eine Stütze sein kann. Man weiß, dass man Familien darin unterstützt, diese für sie schwere Situation zu durchleben und sich von einem lieben Menschen zu verabschieden. Man braucht aber selbstverständlich selbst Unterstützung durch Supervision.

Haben Sie Angst vor dem Sterben?

Diezel: Das eine ist ja die Trauer, wenn ein geliebter Mensch stirbt. Die empfinde ich natürlich genauso wie jeder andere Mensch auch. Aber im Vorfeld ist es eben so, dass ich weiß, wo man Hilfe bekommen kann. Das nimmt den Schrecken weg.

 

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