Heimatforschung ist auch immer mit Baugeschichte verbunden

8.7.2018, 18:37 Uhr
Heimatforschung ist auch immer mit Baugeschichte verbunden

© Harald Sippel

Die umfangreichste Arbeit hat der Uttenreuther Straßenbau-Ingenieur Walter Knur beigesteuert, der akribisch Planung und Bau der Regnitzbrücke im Stadtnorden – heute Dechsendorfer Straße – nachzeichnet. Er, der bereits vor zwei Jahren in einem Artikel in den "Bausteinen" die Anbindung des östlichen Landkreises an Erlangen beschrieb ("Von Erlangen nach Eschenau – über die Dörfer statt durch den Wald?") und dabei eine Fülle von sozialen Details aufbereitete, entfaltet mit der Baugeschichte der Brücke auch ein historisches Panorama zur Ausbreitung der Stadt über den Wiesengrund hinaus. Wo vorher nur hölzerne Flutbrücken vorhanden waren, wurde mit der am 18. August 1881 eingeweihten (Dechsendorfer) Brücke erstmals eine stabile Verbindung von Erlangen in den westlichen Landkreis geschaffen.

Knur beschreibt plastisch, dass sich die im wirtschaftlichen Aufschwung befindliche Stadt zwar eine gute Nord-Süd-Verbindung hatte und sich damit vor allem mit dem wirtschaftlich starken Nürnberg austauschen konnte, doch mit der Verbindung nach Westen haperte es gewaltig. Das war umso ärgerlicher, als bereits 40 Jahre vorher die von Knur früher beschriebene Anbindung des östlichen Landkreises erfolgt war.

Der Artikel "Von Erlangen nach Dechsendorf – die Regnitz als Barriere" geht ausführlich auf Baugeschichte, örtliche und politische Voraussetzungen und Technikgeschichte ein und setzt dem "Königlich Baierischen Wasser- und Straßenbau-Inspector" Friedrich Fick in einem eigenen Anhang ein Denkmal, der von Knur als eine "offenbar robuste und egozentrische Persönlichkeit" beschrieben wird, "die den Straßenbau zielstrebig durch unkonventionelle Vorgehensweise vorantrieb" und als der Chefplaner des Bauwerks gelten darf. Einen zweiten Schwerpunkt bildet in dem neuen "Baustein" ein ausführlicher (und interessant bebildeter) Artikel von Bernd Nürmberger. Der Apotheker, Heimatforscher, Kunstmäzen und engagierter Denkmalschützer zeigt "Veränderungen an historischen Bauten und Plätzen in Erlangen" in den Jahren 2014 bis 2016 und macht an zahlreichen Beispielen deutlich, wie sehr die Stadt innerhalb dreier Jahre ihre Physiognomie verändern kann, wenn diese Veränderungen gerade an stadtgeschichtlich sensiblen Punkten vorgenommen werden. Dass Nürmberger dabei nicht nur Forscher, sondern auch "Partei" ist (und stets auf der Seite der alten Bausubstanz steht), schmälert den Erkenntnisgewinn in keiner Weise.

Wesentlich kürzer, aber ausgesprochen informativ und unterhaltsam ist sein Artikel "Vom Gemeindehaus zum Kreuz + Quer" über den Umbau der ehemaligen Deutsch-Reformierten Kirche zum heutigen"Haus der Kirche". Auf- und Grundriss-Zeichnungen ergänzen den Text – ein schönes Beispiel für fundierte lokale Kirchengeschichte.

Ein weiterer Artikel widmet sich der Geschichte der Universitäts-Mensa. Darin geht Matthias Honold, der Archivar der Diakonie in Neuendettelsau, nicht ohne eine Portion Humor der "Tätigkeit der Diakonissen in den mensa academica in Erlangen in den Jahren 1923-1925" – so der Untertitel des Artikels – nach und zeigt auf, dass hier die Grundlagen für ein günstiges studentisches Essen gelegt wurden – in Zeiten der Wirtschaftskrise und der Inflation ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Uttenreuther Haus- und Flurnamen werden in dem Band durch die Heimatforscher Erich und Regina Paulus erklärt, einen Blick in die Sorgen und Nöte der katholischen Pfarrei Herz Jesu wirft der Historiker Heinrich

Hirschfelder und würdigt dabei besonders den Stadtpfarrer Franz Achtmann, der an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert die immer umfangreicher werdenden seelsorgerischen und caritativen Aufgaben seiner Pfarrei aufopferungsvoll zu besorgen wusste.

In seinem Vorwort verweist der Mitherausgeber und Stadtarchivar Andreas Jakob darauf, dass – erfreulicherweise – Heimatgeschichte wieder Konjunktur habe. Deshalb würden sich die "Bausteine" auch verstärkt für die Arbeiten von Nachwuchswissenschaftler (also von Schülern und Studierenden) öffnen und so auch ein Stück aktiven Generationenwechsel betreiben.

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