High Tech-Werber aus Erlangen

24.6.2017, 16:00 Uhr
High Tech-Werber aus Erlangen

© Ilona Hörath

Sieht aus wie Kunst, ist es aber nicht: Rund 60 Kugeln baumeln von der Decke herunter, leuchten mal in blau, mal in weiß. Nach einer strengen Choreographie bewegen sie sich nach unten. Bilden eine Halbkugel oder ordnen sich zu einer Rampe an. Ein spektakulärer Hingucker namens Mindsphere, der zumindest auf einschlägigen Technik-Fachmessen scheinbar seinen Zweck erfüllt: Fachbesucher an den Messestand zu locken. 

Drückte man dem Messepublikum bisher Hochglanzbroschüren in die Hand, stehe heute, meint Alfons Loos, Geschäftsführer von hl-studios, die Show im Mittelpunkt: „Es ist eine Show, aber nicht um der Show willen, sondern um Inhalte zu präsentieren.“ Gemeinsam mit Jürgen Hinterleithner gründete er 1991 die inhabergeführte Werbeagentur für Industriekommunikation. 

Mit der Mindsphere-Kugellichtanlage und auch anderen Messemodellen will hl-studios ein ganz und gar nicht haptisches Generalthema in schöne Bilder umsetzen: die Vernetzung von Geräten und Maschinen im Zuge des „Internets des Dinge“ und damit die Digitalisierung in der industriellen Produktion. Produkte von hl-Kunden sollen „digital und interaktiv erlebbar“ werden. Als die beiden gelernten Kommunikationsdesigner Loos und Hinterleithner einst ihr Werbegeschäft starteten, kamen gerade mal vier bis sechs Diaprojektoren inklusive Musik und Sprechertext zum Einsatz. 

Messebesucher seien mittlerweile „sehr gut vorbereitet“, wenn sie zu einer Fachmesse pilgern. Nicht Produktneuheiten stünden im Vordergrund, sondern „vertiefende Gespräche“, weiß Loos. Mit einer Broschüre in der Hand lässt sich da wohl kaum noch ein Blumentopf gewinnen. Heute seien Inszenierungen gefragt, bei denen allerlei moderne Technologien zum Einsatz kommen. Zum Beispiel Augmented Reality, wobei virtuelle Zusatzinformationen in eine reale Umgebung eingespielt werden. So, wie zum Beispiel in Head-up-Displays in Autos. Die potentiellen Kunden – nämlich die „Generation Playstation“, wie Geschäftsleiter und Prokurist Gregor Bruchmann erläutert – soll sich angesprochen fühlen. „Die heutigen Entscheider wollen mit dem Finger auf Oled- und Touch-Displays wischen und Informationen spielerisch aufnehmen anstatt zu blättern.“

hl-studios versteht sich selbst als Vorreiter, wenn Kundenthemen wie etwa Automatisierung oder Elektrifizierung digital aufbereitet werden sollen. „Um Hundefutter zu bewerben, wären wir die Falschen“, lächelt Gregor Bruchmann. 

„Die Digitalisierung bringt neue Dienstleistungen mit sich“, sagt Alfons Loos. Was bedeutet: „Unser Geschäfts- und Agenturmodell verändert sich.“ In einem 200 Quadratmeter großen Film- und Fotostudio produziert hl-studios deshalb „Bilderwelten, die die Geschichte ganz anders erzählen können“, sagt Bruchmann. So visualisiert man etwa auf „Schaudarstellungen“ in mindestens Kickertischgröße, wie eine riesige Batterie als Energiespeicher funktioniert. 

Auf Knopfdruck lassen sich symbolisch Blockheizkraftwerke dazuschalten. Und dann blinkt es. „Wir stellen Abläufe dar und geben Zusatzinfos“, erklärt Geschäftsführer Loos. Abläufe wie etwa bei Energieerzeugung, -verteilung, -steuerung und -verbrauch. Oder auch Szenarien, wie sich zum Beispiel Energieströme unter bestimmten Bedingungen verändern.

„Wir stehen als lokale Agentur im Wettbewerb mit den wirklich großen Agenturen in Deutschland“, sagt Loos. 

Auf 100 Mitarbeiter ist das Unternehmen gewachsen, 2014 eröffnete der Mittelständler eine Dependance in Berlin. In den vergangenen Jahren ist der Umsatz kontinuierlich gestiegen: „Wir haben 2015 die 10-Millionen-Euro-Marke überschritten.“ Indem das Unternehmen hinsichtlich moderner Technologien immer up-to-date sei, sichere man die Existenz. Zu den Kunden gehören Unternehmen wie Continental, Osram, Audi, Hexal, Siemens oder Bosch.

Mit einer wie in vielen Agenturen oft üblichen hohen Mitarbeiter-Fluktuation hat hl-studios nicht zu kämpfen: Mitarbeiter verweilen bei HL durchschnittlich sieben Jahre. „Das ist außerordentlich hoch“, sagt Alfons Loos. 

Die Digitalisierung verändert nicht nur Geschäftsprozesse und -modelle, sondern auch Berufsbilder. Werbetexter müssten umdenken.

 „Der Aufbau einer Geschichte ist zum Beispiel nicht mehr linear, sondern non-linear“, sagt Loos. Weil der Messebesucher zwischen den Informationen hin- und herspringt und nicht, wie in einem Buch, einem „festen Pfad“ von vorne nach hinten folgt. Grafiker werden zu Bewegtbildgrafikern oder „User Interface Designern“ und befassen sich etwa mit Nutzerführung, wenn am Computer eine Fertigungsstraße nachgebildet wird. 

„Wir haben unsere Kompetenzen nie ausgelagert, sondern immer selbst aufgebaut“, erzählt Alfons Loos. Spricht‘s und eilt zu einer Besprechung. Die nächste „Erlebnisinszenierung“ will schließlich vorbereitet werden.

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