Kafkas "Bericht für eine Akademie" als Puppenspiel

25.5.2017, 18:15 Uhr
"Choosing the Womb" heißt der dritte Teil des Zyklus "Between Two", den die beiden Akteure von "Akhe" - Maxim Isaev und Pavel Semchenko — in der Thalermühle auf die Bühne bringen.

© F.: Harald Sippel "Choosing the Womb" heißt der dritte Teil des Zyklus "Between Two", den die beiden Akteure von "Akhe" - Maxim Isaev und Pavel Semchenko — in der Thalermühle auf die Bühne bringen.

So kann man das machen: Mit einer einzigen formidablen Idee ein – zugegeben, nur 30 Minuten dauerndes – Schauspiel gestalten. Aufeinander gestapelte Autoreifen als Sitzgelegenheit und Stehpult, ein doppeltes Körper-"Gerüst" als Affe Rotpeter – und dann kann es losgehen im Theater in der Garage mit Franz Kafkas "Ein Bericht für eine Akademie". Besagte Idee ist folgende: Das Staatstheater Darmstadt hat die Schauspieler Robert Lang und Samuel Koch (ja, ja, der Verunglückte aus "Wetten, dass . . .") mit dicken Klebebändern aneinandergeklebt, so wird das Janusköpfige dieses Affen, der menschliche Muster einstudiert, um zu überleben, gleich sprichwörtlich visualisiert. Hier Primat, dort Mensch, und doch alles gleichzeitig: Die beiden Akteure äußern sich einzeln und im Duett, deklamieren solistisch und finden dann wieder zusammen, überlappen sich selbst in den Bewegungen (auch die Arme sind zusammengeklebt) und lassen so – bei aller Verschiedenartigkeit – den Eindruck einer einzigen Existenz entstehen. Das sieht dann streckenweise wirklich wie "Figuren"theater aus. Beeindruckend!

Zur Selbsterkenntnis führt erst der vierte Teil des Zyklus "Between Two" der russischen Gruppe "Akhe". Am heutigen Donnerstag ab 20.30 Uhr besteht die Möglichkeit, dorthin zu gelangen — wieder am bewährten Ort, der Thalermühle. Im Anschluss findet ein Inszenierungsgespräch statt, danach — gegen 22 Uhr — sind alle Besucher und Festivalgäste eingeladen, den Tag mit einer Dernierenfeier im lauschigen Ambiente des Thalermühlen-Innenhofs ausklingen zu lassen.

Das haben sich dann zumindest die, die das Epos in Gänze durchlebt haben, auch wirklich verdient. Denn wie der dritte Teil — "Choosing the Womb" — wieder gezeigt hat, ist der Weg vom Vergehen des Körpers über die Seelenwanderung bis hin zur Wiedergeburt ein hochdramatischer. Und das, obwohl man einen Moment lang glauben konnte, dass die irrlichternden Derwische Maxim Isaev und Pavel Semchenko sich malend einen Ort der Geborgenheit geschaffen haben, an dem sie, zwischen sakralen Orgel- und nostalgischen Drehleierklängen, zur Ruhe kommen konnten.

Doch ein Narr, wer solches denkt — ach was, wer glaubt, das war’s, der ist schlichtweg erledigt, denn er hätte darauf vorbereitet sein müssen, dass die Apokalypse erst noch über ihn hereinbricht. Die beiden Akteure von "Akhe" bringen das "Haus" zum Einsturz, das sie gebaut haben, sie wüten und schlagen alles kurz und klein, nachdem zuvor Risse aus Licht entstanden waren, die einen anderen Ausgang des Geschehens gar nicht mehr zuließen.

Maxim Isaev und Pavel Semchenko, die das "AKHE Russian Engineering Theater" 1989 in St. Petersburg gründeten und sich seitdem einen Kultstatus erarbeiteten, spielen auf vielerlei Ebenen und verwenden für ihre Performance Licht, Flüssigkeiten, Objekte, Soundcollagen und ihre Körper. Und sie sehen überhaupt nicht ein, sich Seh- und Hörgewohnheiten jedweder Art zu unterwerfen. Stattdessen erschaffen sie eine chaotische (Toten)Welt, die den Zuschauer in einen Schwindel versetzt.

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