Kirche in Erlangen bietet iranischem Flüchtling Zuflucht

19.11.2014, 12:54 Uhr
Kirche in Erlangen bietet iranischem Flüchtling Zuflucht

© Foto: Harald Sippel

Hinter dem Fenster wartet die Freiheit. Ebrahim B. blickt aus seinem Zimmer über die Dächer der Altstadt, er sieht Himmel und Bäume, Häuser und Straßen – und weiß doch, dass er auf keinen Fall nach draußen, auf die Martinsbühler Straße, darf. Der klitzekleine Schritt könnte katastrophale Folgen haben. Für die Gemeinde, aber noch viel mehr für den Flüchtling selbst.

Jede Polizeikontrolle kann für Ebrahim B. zum Verhängnis werden, seine Verhaftung nach sich ziehen – und seine Abschiebung in den Iran. Was ihm dort, als praktizierenden Christen, wohl erwartet, weiß Pastor Johannes Klement: „Er steht mit 85-prozentiger Wahrscheinlichkeit unter direkter Lebensgefahr.“

Dieses unmittelbare Risiko will und wollte die Gemeinde am Fuchsengarten nicht eingehen. Deshalb haben die Mitglieder auch keine Minute gezögert, ihre Tore für den Flüchtling zu öffnen. „Ebrahim stand plötzlich vor der Tür“, erzählt der ehrenamtliche Bereichsleiter Diakonie, Gerhard Haufe. Die Entscheidung sei schnell gefallen: „Ihm drohte die Abschiebung“, sagt er, „es war für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir ihn aufnehmen — zumal wir die räumlichen Möglichkeiten dazu haben.“

Rund 20 Helfer im Einsatz

Daran mangelt es wirklich nicht. Die Gemeinde stellt Ebrahim B. im Obergeschoss des weitläufigen Anwesens eine abgeschlossene Wohnung von rund 20 Quadratmetern zur Verfügung, mit eigenem Bad und separater Küche. Das aber ist nur der eine — einfachere Teil — der kirchlichen Unterstützung. Ein rund 20-köpfiges Helferteam betreut den 44-Jährigen fast rund um die Uhr, versorgt ihn mit Kleidung und Lebensmitteln.

Ärzte, die Mitglied in der Gemeinde sind, übernehmen die medizinische Versorgung. Bislang waren — neben Behörden und Polizei — nur wenige in das Kirchenasyl eingeweiht, nun aber gehen die Verantwortlichen über unsere Redaktion an die Öffentlichkeit.

Angst vor möglichen staatlichen Repressionen habe niemand gehabt: „Natürlich gehen auch wir ein gewisses Risiko ein“, sagt Haufe, „aber das ist nichts im Vergleich mit Ebrahim — seine Not ist einfach größer — und das schon seit so langer Zeit.“

Denn Ebrahims Leidensgeschichte begann vor fast zwei Jahrzehnten. Schnell kam der Regime-Kritiker in Konflikt mit der iranischen Obrigkeit. Es folgten Schikanen, Verfolgung und Verhöre in dunklen Gefängniskellern. Der Moslem konvertiert zum Christentum, flüchtet nach Zypern, danach über die Türkei nach Holland, Norwegen und Deutschland. Kein Land aber will den Flüchtling aufnehmen, auch Deutschland nicht (siehe Text unten).

Antrag abgelehnt

Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weist den Antrag im Februar ab — mit der Begründung, dass Ebrahim B. über andere europäische Länder (Norwegen) gekommen ist und auch dort Asylantrag stellen müsse.

Ebrahims einzige Rettung: Er verlässt seine Asylbewerber-Unterkunft in der Oberpfalz und flieht nach Erlangen. Auf das Ersuchen von Ebrahims Anwalt, den Iraner als normalen Flüchtling ins Verfahren aufzunehmen, hat die Bundesbehörde mit Sitz in Nürnberg bisher nicht reagiert, obwohl binnen sechs Monaten ein Bescheid hätte kommen müssen. Ebrahim B. — und die Erlanger Gemeinde — werden so seit Monaten im Ungewissen gelassen.

Dieser Schwebezustand macht dem Iraner zu schaffen, auch wenn er es sich kaum anmerken lässt. „Mit dem Verstand sehe ich meine Probleme“, sagt er leise auf Englisch, „aber die Religion gibt mir den notwendigen Halt.“ Sein halbes Leben habe er Schmerzen an Leib und Seele ertragen müssen, sagt er, aber Gott gebe ihm die notwendige Zuversicht, das alles zu ertragen.

Die Tage und Nächte, die er durchgehend in dem Gebäude verbringt, füllt er — neben den Alltagsdingen — daher mit Beten und Bibellesen. Auch ein Laptop steht in seinem Zimmer, damit er den Kontakt zu seiner Frau, einer Philippinin, und seinem Sohn nicht verliert. Nach Asien aber kann er nicht, er hat keine gültigen Papiere; die habe man ihm abgenommen, sagt er. Als offizielle Dokumente hat er nur noch Taufschein, die Bestätigung seiner Firmung — und einen dicken Ordner seiner Korrespondenz mit den deutschen Behörden.

Im Gemeindeleben aktiv

Er wolle in Deutschland bleiben, vielleicht könne er dann auch irgendwann wieder als Schweißer arbeiten, hofft Ebrahim B.

„Ebrahim ist ein Teil unserer Gemeinde geworden“, betont Gerhard Haufe, „wird würden uns so sehr wünschen, dass er bleibt — und zwar für immer.“ Dass die Freie Evangelische Gemeinde dafür alles tun wird, ist klar. Die Mitglieder geben nicht auf, kündigt Haufe an, „unser Kirchenasyl geht weiter.“

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